Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezieherin von Leistungen der Grundsicherung im Alter. Rentenantragstellung. Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung. Versäumung der Dreimonatsfrist aus § 9 Abs 2 Nr 1 SGB 5. Ausschluss der obligatorischen Anschlussversicherung. anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 264 Abs 2 SGB 5

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einer im Zuge der Rentenantragstellung erfolgten Meldung nach § 201 SGB V liegt nicht zugleich die Erklärung eines Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung.

2. Die Regelung in § 264 Abs 2 Satz 1 SGB V ("Quasiversicherung") stellt einen "anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" im Sinne von § 188 Abs 4 Satz 3 SGB V dar.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des

Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten einschließlich der Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Weiterversicherung der Klägerin bei der beklagten Kranken- und Pflegekasse über den 30. April 2016 hinaus.

Die im Dezember 1950 geborene Klägerin bezog von 1. März 2008 bis zum 30. April 2016 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und war auf dieser Grundlage pflichtversichertes Mitglied der Beklagten; die maschinelle Abmeldung durch das JobCenter zum 30. April 2016 erfolgte am 4. Mai 2016.

Mit Bescheiden vom 21. April 2016 und vom 13. September 2016 bewilligte die Beigeladene der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen der Grundsicherung im Alter nach §§ 41ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII, Viertes Kapitel) für die Zeit ab 1. Mai 2016.

Am 2. März 2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Regelaltersrente bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg. In diesem Zusammenhang erstattete sie auf einem entsprechenden Merkblatt der Deutschen Rentenversicherung, das ausführliche Hinweise zum möglichen Krankenversicherungsschutz von Rentnern enthielt, auch eine Meldung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 201 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), datierend vom 26. April 2016; diese Meldung ging am 29. April 2016 bei den Beklagten ein.

Unter dem 3. Mai 2016 teilten die Beklagten der Klägerin mit, für sie bestehe keine Versicherungspflicht in der KVdR, weil die erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Der Bescheid enthielt den Zusatz: „Sollte der Leistungsbezug durch das JobCenter enden, endet auch Ihr Versicherungsschutz. Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung, damit wir Sie über Ihren weiteren Versicherungsschutz beraten können.“

In einem Schreiben an die Klägerin vom 25. Juni 2016 bemühten die Beklagten sich um eine Klärung des Versicherungsschutzes. Zum 30. April 2016 sei eine Abmeldung erfolgt. Ein beiliegender Fragebogen möge ausgefüllt übersandt werden. Falls keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestehe, werde eine obligatorische Anschlussversicherung durchgeführt. Eine freiwillige Krankenversicherung komme in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer obligatorischen Anschlussversicherung nicht erfüllt seien; der Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung sei binnen drei Monaten nach Beendigung der Versicherungspflicht anzuzeigen. Dieses Schreiben ließ die Klägerin unbeantwortet, ebenso ein Erinnerungsschreiben der Beklagten vom 16. Juli 2016.

(Erst) am 11. Oktober 2016, nachdem im Zuge ärztlicher Behandlung aufgefallen war, dass keine Krankenversicherung mehr bestand, übermittelte die Klägerin den Beklagten eine Beitrittserklärung zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegeversicherung. Eine Regelaltersrente sei mit Bescheid vom 13. August 2016 abgelehnt worden.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. Oktober 2016 lehnten die Beklagten die Durchführung einer freiwilligen Krankenversicherung und Pflegeversicherung ab, weil der Beitritt nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Ende der letzten Pflichtversicherung (30. April 2016) schriftlich angezeigt worden sei. Weil sie Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehe, könne man im Auftrag des Sozialhilfeträgers Leistungen der Krankenversicherung gewähren, es bedürfe einer entsprechenden Anmeldung durch den zuständigen Träger der Sozialhilfe.

Aufgrund einer Anfrage der Klägerin beim Servicetelefon der Beklagten am 16. November 2016 übermittelten die Beklagten ihr ohne nähere Nachprüfung des Sachverhalts ein Schreiben vom 17. November 2016, in dem der Klägerin empfohlen wurde, der freiwilligen Krankenversicherung beizutreten, weil die Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin in absehbarer Zeit enden werde. Ein beiliegender Antrag möge ausgefüllt zurückgesandt werden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Dezember 2016 beantragte die Klägerin nochmals ihre Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung und die Pflegeversicherung. Zumindest müsse eine Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 SGB V erfolgen.

Mit Bescheid vom 12. D...

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