Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung einer Altersrente. tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt. hochgerechnetes Arbeitsentgelt. rechtswidrige Hochrechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Trotz der Regelung in § 194 und § 70 Abs 4 SGB 6 ist nicht das hochgerechnete sondern das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt der Rentenberechnung zu Grunde zu legen, wenn der Versicherte dies im Widerspruchsverfahren beantragt (Anschluss an BSG vom 16.11.1995 - 4 RA 48/93 = BSGE 77, 77 = SozR 3-2200 § 1401 Nr 1).
2. War die von der Beklagten nach § 194 SGB 6 vorgenommene Hochrechnung rechtswidrig, richtet sich die Korrektur nach den §§ 44, 45 SGB 10.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 02. November 2010 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juni 2010 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Dezember 2009 eine Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung des im Zeitraum vom 1. September 2009 bis 30. November 2009 erzielten tatsächlichen Arbeitsentgeltes in Höhe von 7804,00 € zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der seit 1. Dezember 2009 bezogenen Altersrente für Frauen.
Die 1949 geborene Klägerin war bei der A O B beschäftigt. Das bestehende Arbeitsverhältnis endete nach einer Phase der Altersteilzeit am 30. November 2009. Sie stellte am 10. August 2009 bei der Beklagten einen Antrag auf Altersrente für Frauen. Auf der Vorderseite der von der Klägerin unterschriebenen “Erklärung der Antragstellerin„ ist folgender Absatz enthalten:
“Ich willige ein (sofern ich im Abschnitt beitragspflichtige Einnahmen nichts anderes bestimmt habe), dass der Rentenversicherungsträger zur Beschleunigung des Rentenverfahrens
- frühestens drei Monate vor Rentenbeginn eine Meldung der beitragspflichtigen Einnahmen für abgelaufene Zeiträume vom Arbeitgeber anfordert,
- für den weiteren Zeitraum ggfs. bis zum Rentenbeginn die entsprechenden voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahmen (maximal für drei Monate) hochrechnet und
- diese der Rentenberechnung zugrunde legt.
Mir ist bekannt, dass kurzfristige Unterbrechungen der Beschäftigung im letzten Jahr von weniger als einem Kalendermonat sowie Sonderzahlungen in den letzten Monaten bis zum Rentenbeginn, die über die regelmäßigen Einmalzahlungen (wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) hinausgehen, bei der Hochrechnung der Arbeitsentgelte nicht berücksichtigt werden können. Sollten die tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen von den hochgerechneten Beträgen abweichen, können diese erst bei einer später zu zahlenden Rente berücksichtigt werden.„
Auf Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 26. August 2009 übermittelte die Arbeitgeberin der Klägerin der Beklagten das beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt für die Zeit vom 01. Januar bis 31. August 2009 (18.194,00 €).
Mit Rentenbescheid vom 13. Oktober 2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 1. Dezember 2009 eine Altersrente für Frauen in Höhe von monatlich 676,56 € netto. Dieser hatte sie für die Zeit vom 1. September 2009 bis 30. November 2009 aufgrund einer am 22. September 2009 durchgeführten Hochrechnung 6880,00 € zu Grunde gelegt. Bei dieser Hochrechnung war die Summe der beitragspflichtigen Einnahmen eines 12-Kalendermonatszeitraums (27.519,67 €) multipliziert mit der Anzahl der Tage des zu belegenden Zeitraums (90 Tage) dividiert durch die Anzahl der belegten Tage im 12-Kalendermonatszeitraum (360 Tage) berücksichtigt worden.
Am 5. November 2009 übermittelte die Arbeitgeberin der Klägerin der Beklagten gemäß § 25 DEÜV das tatsächliche Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. September 2009 bis 30. November 2009 i. H. v. 7804,00 €.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe weder eine Vorab- noch eine Vorausbescheinigung des Arbeitgebers angefordert. Die erfolgte Hochrechnung sei falsch, denn diese berücksichtige nicht das an Beschäftigte im öffentlichen Dienst regelmäßig im November gezahlte so genannte Weihnachtsgeld, das ebenfalls der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege und daher zu einer Rentenerhöhung führen müsse.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2010 zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, nach § 194 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung habe der Arbeitgeber auf Verlangen des Versicherten die beitragspflichtigen Einnahmen für abgelaufene Zeiträume frühestens drei Monate vor Rentenbeginn gesondert zu melden. Auf Grundlage dieser gesonderten Meldung erfolge eine Hochrechnung des Entgelts für die verbleibende Zeit bis zum Rentenbeginn. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, die Rente vorzeitig feststellen zu können, um einen nahtlosen Übergang vom Erwerbsleben bzw. Erwerbseinkommen in die Altersrente zu erreichen. Mit ihrem Antrag vom 10. August...