Entscheidungsstichwort (Thema)
Mittelbare Unfallfolgen. Erblindung. Geeignetheit des Unfallhergangs. Sturz auf den Hinterkopf. Minderung der Erwerbsfähigkeit. Verletztenrente. Schädigung des Sehnervs. Wesentliche Ursache. Zeitlicher Zusammenhang
Leitsatz (redaktionell)
Eine Gesundheitsstörung ist nur dann als Unfallfolge anzuerkennen, wenn sie mit Wahrscheinlichkeit zumindest ihre wesentliche Teilursache in einem versicherten Unfallereignis hat. Ein bloß zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Auftreten der Störung genügt hierfür nicht.
Orientierungssatz
1. Nach § 56 SGB VII (juris: SGB 7) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
2. Voraussetzung dafür ist, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, “infolge„ eines Versicherungsfalls entstanden sind.
3. Gesundheitsstörungen infolge eines versicherten Ereignisses können nur dann anerkannt werden, wenn sie mit Wahrscheinlichkeit zumindest ihre wesentliche Teilursache in dem versicherten Unfallereignis haben.
4. Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit (Anschluss: BSG, 1963-03-29, 2 RU 25/60, BSGE 19, 52, 1971-02-16, 1 RA 113/70, BSGE 32, 203, 1978-02-02, 8 RU 66/77, BSGE 45, 285) liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden.
5. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss und dass es keine Beweisregel gibt, wonach bei fehlender Alternativursache die naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist (Anschluss: BSG, 1958-12-16, 2 RU 259/56, SozR Nr 41 zu § 128 SGG; 1959-06-02, 2 RU 158/56, SozR Nr 20 zu § 542 RVO; 1963-03-29, 2 RU 25/60, BSGE 19, 52, 1999-11-02, B 2 U 47/98 R, SozR 3-1300 § 48 Nr 67).
6. Dies gilt auch bei mittelbaren Unfallfolgen.
Normenkette
SGB VII § 56
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 29. September 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer weiteren Verletztenrente wegen eines am 12. Dezember 1999 erlittenen Unfalls.
Der 1936 geborene Kläger bezieht bereits wegen eines am 11. September 1968 erlittenen Unfalls eine Verletztenteilrente, die nach dem letzten Bescheid vom 09. Mai 1995 unter Zugrundelegung einer Minderung der Erwerbsminderung (MdE) von 40 v. H. gezahlt wird. Bei diesem Unfall hatte der Kläger zunächst eine Prellung am linken Knie erlitten, weswegen aufgrund fortbestehender Beschwerden schließlich eine zementfreie Totalendoprothese des linken Kniegelenkes implantiert werden musste. In einem wegen dieses Schadens eingeholten Gutachtens des Dr. S vom 30. September 1994 ist ausgeführt, dass aufgrund des Zustandes nach Implantation einer zementfreien Totalendoprothese des linken Kniegelenkes wegen schwerstgradiger Kniegelenksarthrose nach Innenmeniskusverletzung 1968 und Meniskusresektion 1969 die volle Belastbarkeit des linken Beines nicht wieder erreicht sei, so dass zwei Unterarmstützen benutzt werden müssten. In einem weiteren Gutachten vom 08. Oktober 1996 bestätigte Dr. L, dass das Gangbild ohne Unterarmstütze relativ mühsam sei. Das linke Bein musste dem Kläger in der Folgezeit - nach dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis - schließlich am 17. Mai 2000 amputiert werden. Die insoweit behandelnde K GmbH teilte mit Schreiben vom 18. Juli 2000 diesbezüglich mit, dass die erfolgte Amputation nicht als Folge des Unfalls aus 1968 gedeutet werden könne, da diese aufgrund einer schweren peripheren arteriellen Verschlusskrankheit des linken Beines bei Beckenarterienstenose links sowie Unterschenkelgefäßverschluss mit Diabetes mellitus erfolgt sei.
Am 11. Dezember 1999 besuchte der Kläger eine Veranstaltung der Freiwilligen Feuerwehr L, die nach der Schilderung des Klägers in seiner Unfallbeschreibung vom 14. November 2000 an diesem Tage bis ca. 22.00 Uhr ihre Rechenschaftslegung für das Jahr 1999 durchführte. Der Kläger beschrieb, gegen 0.30 Uhr vor dem Verlassen des Veranstaltungsortes noch einmal auf die Toilette gegangen zu sein, wo er mit seinen Unterarmstützen auf nassen Fußbodenfliesen weggerutscht und sich an der Wand den Hinterkopf aufgeschlagen habe. Gesehen habe den Unfall keiner, hinzugekommen seien seine Frau und Herr M J. Die Notfallversorgung der Kopfplatzwunde erfolgte in der Klinik N GmbH. Auf dem Notarzteinsatzprotokoll ist vermerkt, dass der neurologische Befund unauffällig und die Bewusstseinslage orientiert gewesen sei. Im Notfallschein über die erfolgte Behandlung ist ausgeführt, dass eine 3 cm große okzipitale, stark blutende Kopfplatzwunde versorgt worden sei. Der Unfallverletzte sei zum Versorgu...