Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. keine Kostenübernahme für eine geschlechtsangleichende Operation in einem nicht zugelassenen Krankenhaus. kein Systemversagen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein anspruchsbegründendes Systemversagen in der GKV liegt nicht vor, wenn eine aus Sicht des Versicherten überlegene Behandlung durch ein nicht zugelassenes Krankenhaus, welches bewusst keine Aufnahme in den Landeskrankenhausplan oder den Abschluss eines Versorgungsvertrages anstrebt, geltend gemacht wird.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. August 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Frage, ob die Beklagte die Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation beim Kläger in einem nicht zugelassenen Krankenhaus übernehmen muss.

Bei dem 1970 geborenen Kläger besteht eine manifeste Transsexualität Frau-zu-Mann. Bereits 1994/1995 erfolgten eine beidseitige Mastektomie und eine Hysterektomie mit Adnektomie sowie 1995 die Änderung auf einen männlichen Vornamen durch Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg. In seinem Gutachten vom 12. Januar 2009 gelangte ein Arzt des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Berlin-Brandenburg (Dr. H) zum Ergebnis, dass die vom Kläger geplante Operation (Penoidaufbau und Hodenimplantation) zur Angleichung des biologischen an das gelebte männliche Geschlecht medizinisch notwendig sei.

Am 21. Juni 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine geschlechtsangleichende Operation in der Klinik S in P. Nach dem Kostenvoranschlag der Klinik S P GmbH & Co. KG vom 16. Juni 2010 über insgesamt 48.433.- EUR sollten im Rahmen einer einzigen Operation folgende operative Schritte durchgeführt werden: 1. Scheidenentfernung 2. mikrochirurgische Entnahme eines Haut-Gefäß-Nerven-Lappens vom linken Unterarm unter Einsatz eines OP-Mikroskops 3. Plastische Deckung des Entnahmefeldes mit Vollhaut 4. Plastischer Aufbau eines Penoids (Penisersatzplastik) 5. mikrochirurgischer Gefäßanschluss der Schlag- und Blutadern sowie der Nerven des Penoids in der Mittellinie 6. Verlängerungsplastik der weiblichen Harnröhre mit den kleinen Schamlippen 7. Bildung einer neuen Harnröhre, so dass es dem Patienten möglich ist, im Stehen zu urinieren 8. Verlängerung der Klitoris an der Penoidbasis zur Erhaltung der sexuellen Erregbarkeit 9. Oberschenkelhautstraffung zur Deckung der Vollhautentnahmestelle

Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2010 ab, weil die Klinik S nicht zu den für die stationäre Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhäusern bzw. Operationszentren gehöre. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2010 zurück. Darin wies sie darauf hin, dass dem Kläger eine Kostenzusage für eine geschlechtsangleichende Operation vorliege. Die Aufnahme in eine Privatklinik sei nicht notwendig, weil die geplante geschlechtsangleichende Operation Frau-zu-Mann im H-Klinikum E in B als einzigem zugelassenen Krankenhaus in der Hauptstadt und deren näherer Umgebung durchgeführt werden könne. Sollte der Kläger Vorbehalte gegen die genannte Klinik haben, stünden bundesweit andere Kliniken zur Verfügung.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgebracht, nur die Klinik S in P berücksichtige den medizinischen Fortschritt. Bei den Behandlungsansätzen von Dr. S und Dr. L seien jeweils sechs Operationen selbstverständlich während bei Dr. D, dem Operateur der Klinik S, zwei genügten und die OP-Dauer nur noch sechs Stunden betrage. Die Operation in der Klinik S sei mit geringeren Risiken verbunden als in Vertragskliniken, außerdem seien die Sorgfaltsanforderungen an Dr. D erhöht. Mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil die Klinik S keine nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassene Klinik sei und der Anspruch des Klägers auf Krankenbehandlung nicht darauf gerichtet sei, nur von einem ganz bestimmten - aus seiner Sicht am besten qualifizierten - Arzt behandelt zu werden. Das Wahlrecht eines Betroffenen bei der Krankenbehandlung umfasse nicht auch die Behandlung in Privatkliniken. Das in der Stellungnahme des MDK genannte Krankenhaus könne eine geschlechtsumwandelnde Operation unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und des medizinisch-technischen Fortschrittes durchführen.

Gegen diesen ihm am 22. August 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 25. August 2011, zu deren Begründung er sich auf ein Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beruft. Die von Dr. D entwickelte Technik gelte inzwischen international als Standard und liefere anerkanntermaßen die besten funktionalen und optischen Ergebnisse bei geringsten Komplikationen. Der Behandlu...

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