Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Betriebsweg. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. gemischte Handlungstendenz. dritter Ort. übliche Wegstrecke. wertender Angemessenheitsvergleich. Transport von Mitarbeitern. Motorrad. Rückweg aus dem Urlaub an die Tätigkeitsstätte
Orientierungssatz
1. Bei der Rückreise eines versicherten Unternehmers aus dem Urlaub auf dem Motorrad gemeinsam mit seiner mitarbeitenden Ehefrau als Sozius direkt zur Betriebsstätte mit dem Ziel, dass dort beide die Tätigkeit aufnehmen, handelt es sich sowohl um einen versicherten Betriebsweg gem § 8 Abs 1 SGB 7 (Transport der Ehefrau) als auch um einen versicherten Weg gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 (Fahrt des Unternehmers selbst).
2. Die Fahrt mit dem Motorrad spricht nicht gegen eine betriebliche Handlungstendenz, es handelt sich um ein übliches Beförderungsmittel.
3 Das objektive Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von einem dritten Ort steht bei einer entsprechenden subjektiven Handlungstendenz unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung, ohne dass es auf einen wertenden Angemessenheitsvergleich mit der üblichen Wegstrecke, den Zweck des Aufenthalts am dritten Ort, die Beschaffenheit der Wege, das benutzte Verkehrsmittel, den Zeitaufwand, das Unfallrisiko oder weitere Kriterien ankommt (vglBSG vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R = BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70 und B 2 U 20/18 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 74).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2014, Az.: ..1994/3, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2014, gleiches Aktenzeichen, abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin infolge des Unfalls vom 19. August 2013 Witwenrente und Sterbegeld zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung des Verkehrsunfalls vom 19. August 2013 als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII).
Die Klägerin und ihr Ehemann waren in einem Autohaus in der H in B beruflich tätig, dessen alleiniger Inhaber der Ehemann war. Ebenfalls dort beschäftigt war die Tochter der Eheleute, die Zeugin R S, und ein KfZ-Mechaniker, der Zeuge R S.
Die in B gelegene Wohnung der Eheleute befand sich etwa 14 km vom Autohaus in B entfernt.
Nach ihrem mehrtägigen Urlaub in E reisten sie am 19. August 2013 mit dem Motorrad nach B zurück. Die Rückfahrt war für diesen Tag geplant. Sie fuhren morgens gegen 8.45 Uhr in Thüringen los und legten drei Pausen bis B ein, zwei davon mit einer Dauer von 20 bis 25 Minuten. Auf dem Weg erlitten sie in B, gegen 13.25 Uhr auf der Höhe des Grundstückes A, einen Verkehrsunfall, bei dem sich die Klägerin erheblich verletzte und ihr Ehemann verstarb.
Nach einem persönlichen Gespräch mit der Klägerin und deren Tochter am 12. Dezember 2013 vermerkte die Beklagte: „ Die Tochter (..) hat während des Kurzurlaubs der Eltern die Geschäfte des Unternehmens weitergeführt. Da sie am Nachmittag des 19.08.2013 jedoch einen Arzttermin hatte, war zwischen der Familie abgesprochen, dass die Eheleute (..) die Tochter im Betrieb ablösen. Sie sind daher mit dem Motorrad Montagvormittag direkt aus T - über das A kommend - in Richtung des Betriebes gefahren, um dort die Weiterführung des Betriebes während des Arzttermins der Tochter zu gewährleisten. Die Sachen für die vorherige Übernachtung in E (T) befanden sich im Motorradkoffer. Da der Motorradanhänger der Familie (..) zuvor bereits von einem Freund des Motorradclubs aus S mit zurück genommen wurde, mussten die Eheleute nicht vorher in die Familienwohnung fahren.“
Mit Bescheid vom 8. Mai 2014 (Az.: ..2259/8) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Kosten für ihre medizinische Behandlung nicht mehr übernommen würden, weil sie nicht zum Kreis der gesetzlich versicherten Personen gehöre. Sie habe zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Darüber hinaus liege kein versicherter Arbeits-/Wegeunfall vor. Die Klägerin sei am 19. August 2013 auf einem nicht versicherten Rückweg von einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit gewesen.
In weiterem Bescheid vom 8. Mai 2014 (Az.: ..1994/3) stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin aufgrund des tödlichen Unfalls ihres Ehemannes keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe und insbesondere weder Witwenrente noch Sterbegeld verlangen könne. Ihr Ehemann habe sich beim Unfall nicht auf einem versicherten Weg befunden. Zwar könne Ausgangspunkt des Weges zur Arbeit auch ein sogenannter „dritter Ort“ sein. Der Rückweg von der Urlaubsreise aus E sei jedoch hauptsächlich von dem Vorhaben bestimmt gewesen, die Urlaubsreise zu beenden und nicht die versicherte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Die am Unfa...