Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortführung des Rechtstreits bei Annahme eines Teilanerkenntnisses
Orientierungssatz
1. Nach § 101 Abs. 2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis den Rechtstreit in der Hauptsache. Bezieht sich das Anerkenntnis nur auf einen Teil des Klageanspruchs, so tritt Erledigung nur hinsichtlich dieses Teils ein, im Übrigen ist über den Rechtstreit durch streitiges Urteil zu entscheiden.
2. Wie der Klageantrag zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist die Auslegungsregel des § 133 BFB. Wird in einem Verfahren des Schwerbehindertenrechts die Feststellung eines GdB von mindestens 30 beantragt, so wird mit diesem Antrag die Gesamtheit der höheren Stufen des GdB umfasst. Damit ist der wahre Wille des Klägers dahin zu verstehen, einen GdB von 50 festgestellt zu erhalten.
3. Kostenrechtlich gilt folgendes: Wird mindestens ein GdB in einer bestimmten Höhe beantragt, so erfasst der Streitgegenstand sämtliche Zehner-Stufen zwischen dem zuerkannten GdB und einem GdB von 100. Der Umfang des Obsiegens ist hieran zu messen. Bei einem ursprünglichen GdB von 20 und einer Erhöhung auf 30 im gerichtlichen Verfahren ist regelmäßig die Erstattung eines Achtels der Kosten ermessensgerecht.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2016 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit weiterhin vor dem Sozialgericht Berlin anhängig ist.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 40 durch den Beklagten, vorrangig jedoch darüber, ob durch die Annahme eines Anerkenntnisses vor dem Sozialgericht eine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten ist.
Auf den am 18. August 2015 gestellten Erstantrag der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. November 2015 einen GdB von 20 fest. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, der GdB sei zu niedrig bemessen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2016 zurück.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 14. März 2016 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage gewandt und in der Klageschrift zunächst wörtlich beantragt,
den Bescheid des Landesamtes für Soziales und Versorgung B vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2016 zu GZ: aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 30 festzustellen.
Die Klagebegründung wurde mit folgendem Satz eingeleitet:
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass bei ihr ein Grad der Behinderung von 50 vorliegt, sie aus diesem Grund schwerbehindert ist.
Sie hat die Klage ferner eingehend medizinisch begründet und zur Bildung des Gesamt-GdB ausgeführt. So hat sie das Vorliegen einer Depression geltend gemacht und dargelegt, dass es sich um eine mittelgradige handeln dürfte, so dass hierfür allein ein GdB von 40 zu berücksichtigen sei. Sie hat ferner ein psychiatrisches Gutachten der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. H aus einem Klageverfahren gegen den für die Klägerin zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung vom 31. Januar 2016 nebst neuropsychologischer Testdiagnostik vom 1. Februar 2016 vorgelegt und am Ende ihrer Klageschrift unter Aufzählung zahlreicher Leiden darauf hingewiesen, dass der Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen dieser Leiden zueinander mit 50 festzustellen sei; dies werde durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden.
Mit der Klageerwiderung vom 13. Mai 2016 hat der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung des vorgelegten Gutachtens ab August 2015 (Antragstellung) einen GdB von 30 anerkannt sowie das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Der Beklagte hat weiter erklärt, dass damit dem Klagebegehren aus seiner Sicht entsprochen worden sei und er für den Fall, dass sich die Klägerin durch das vorstehende Anerkenntnis klaglos gestellt fühle, bereit sei, die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu übernehmen.
Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2016 hat die Klägerin erklärt, sie nehme das Teilanerkenntnis an, wünsche jedoch im Übrigen eine Entscheidung. Sie hat diese Erklärung mit Schriftsatz vom 14. Juni 2016 wiederholt.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme, wonach der Gesamt-GdB 30 betrage, mit Schriftsatz vom 26. September 2016 erklärt, an seinem Klageabweisungsantrag festzuhalten.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 25. Oktober 2016, in dem der Beklagte nicht vertreten gewesen ist, hat die Vorsitzende der zuständigen Kammer nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift darauf hingewiesen, dass ausweislich der Klageschrift ein GdB von mindestens 30 begehrt worden sei, in der Klagebegründung aber ersichtlich sei, dass ein GdB von 50 angemessen sei. Es dürfte damit Hauptsachenerl...