Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Urlaubsabgeltung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 157 Abs. 2 SGB 3 ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs, wenn der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat.

2. Hierdurch wird der Gesamtanspruch auf Arbeitslosengeld nicht verkürzt. Es wird lediglich der Leistungsbeginn des Arbeitslosengeldes hinausgeschoben. Im Interesse der Versichertengemeinschaft ist es nicht gerechtfertigt, dass der Arbeitnehmer im Anschluss an das Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt in Form der Urlaubsabgeltung erhält und daneben die Lohnersatzleistung bezieht. Die Regelung verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.

 

Normenkette

SGB III § 157 Abs. 2, § 117 Abs. 1 Nr. 1, § 118 Abs. 1, § 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; BUrlG § 7 Abs. 4; RL 2003/88/EG Art. 7; SGB VI § 236a

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.05.2017; Aktenzeichen B 11 AL 3/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) im Zeitraum vom 7. August 2014 bis 27. August 2014.

Der 1951 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 15. Juli 2003 als Fahrzeugaufbereiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber am 24. März 2014 mit Wirkung zum 31. Juli 2014 gekündigt. Im Zeitraum vom 13. Mai 2014 bis 22. Juli 2014 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Krankengeld. Bei seinem Rentenversicherungsträger stellte er am 15. Juli 2014 einen Antrag auf Altersrente (AR) für schwerbehinderte Menschen mit einem Rentenbeginn am 1. November 2014. Er meldete sich im Juli 2014 bei dem Beklagten arbeitsuchend und am 7. August 2014 persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers vom 11. August 2014 stand dem Kläger ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 27. August 2014 zu.

Mit Bescheid vom 28. August 2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 7. August 2014 für 720 Kalendertage bis zum 28. August 2016. Der tägliche Leistungsbetrag betrage im Zeitraum vom 7. August 2014 bis 27. August 2014 wegen der Urlaubsabgeltung 0 € und ab dem 28. August 2014 20,45 €. Mit weiterem Bescheid vom 28. August 2014 verfügte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Alg in der Zeit vom 7. August 2014 bis 27. August 2014, weil der Kläger bei seinem bisherigen Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub zu beanspruchen habe und sein Urlaub, wenn er ihn genommen hätte, bis 27. August 2014 gedauert hätte. Während dieses Zeitraumes ruhe deshalb der Anspruch auf Alg. Der Kläger legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein.

Der ehemalige Arbeitgeber zahlte dem Kläger zur Abgeltung von 19 Urlaubstagen am 10. Oktober 2014 einen Betrag iHv brutto 1.216,- €.

Der Rentenversicherungsträger bewilligte dem Kläger Altersrente (AR) antragsgemäß ab 1. November 2014 (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See vom 16. September 2014). Durch Bescheid vom 27. Oktober 2014 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Alg ab 1. November 2014 wegen des gleichzeitigen Rentenbezuges auf.

Durch Widerspruchsbescheid vom 4. November 2014 wies die Beklagte die beiden gegen die Bescheide vom 28. August 2014 gerichteten Widersprüche des Klägers als unbegründet zurück. Ein früherer Anspruch des Klägers auf Alg bestehe nicht, weil sich der Kläger erst am 7. August 2014 persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet habe. Der Anspruch auf Alg ruhe zudem im Zeitraum vom 7. August 2014 bis 27. August 2014 gemäß § 157 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III), weil der Urlaubsanspruch des Klägers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses iHv 19 Tagen durch den Arbeitgeber abgegolten worden sei. Wäre der Urlaub im Anschluss an das Arbeitsverhältnis genommen worden, hätte es bis zum 27. August 2014 gedauert. Bis zu diesem Zeitpunkt ruhe deshalb der Anspruch auf Alg.

Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Ruhensvorschrift des § 157 Abs. 2 SGB III sei mit der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nicht vereinbar. Nach deren Artikel 7 sei die Verrechnung von Urlaubsansprüchen mit Zeiten der Arbeitslosigkeit mit europäischem Recht unvereinbar, denn eine Verrechnung habe die Verkürzung des Mindestanspruchs von Arbeitnehmern auf vier Wochen Urlaub im Jahr zur Folge. Da der Kläger vor Ende seines Anspruchs auf Alg in AR gehe, werde sein Anspruch auf Alg durch den Ruhenstatbestand faktisch gekürzt. Es sei mit der RL 2003/88/EG zudem nicht vereinbar, dass innerstaatliche Regelungen den Arbe...

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