Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung. Drei-Fünftel-Belegung. Arbeitsunfähigkeit. Aufschubtatbestand. Anrechnungszeit. Nachweis der medizinischen Voraussetzungen

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit iS des § 58 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 richtet sich nach dem entsprechenden Begriff im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Hierbei bemisst sich Arbeitsunfähigkeit spätestens nach Ablauf des dritten Jahres nach dem Beginn der Krankschreibung nicht mehr nach den Anforderungen der zuletzt konkret ausgeübten Beschäftigung. Dies gilt unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis noch besteht und "ruht", oder ob es beendet worden ist (vgl BSG vom 25.2.2004 - B 5 RJ 30/02 R = BSGE 92, 199 = SozR 4-2600 § 43 Nr 2 und vom 25.2.2010 - B 13 R 116/08 R = SozR 4-2600 § 58 Nr 11). Nach dem Ende des Dreijahreszeitraums ist auch für den Begriff der Arbeitsunfähigkeit allein maßgeblich, ob noch eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausgeübt werden kann.

2. Daher endet auch eine berücksichtigungsfähige Anrechnungszeit iS des § 58 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 (spätestens) drei Jahre nach Eintritt der an einen konkreten Beruf anknüpfenden Arbeitsunfähigkeit (vgl BSG vom 25.2.2010 aaO).

3. Im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf eine Rente wegen Erwerbsminderung kann und hat sich die gesetzliche Rentenversicherung zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts allein daran zu orientieren, was als gesicherter Wissensstand iS einer "herrschenden Meinung" angesehen werden kann.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.04.2023; Aktenzeichen B 5 R 3/23 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 2. Mai 2017 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2019 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1964 geborene Kläger war nach Ausbildungen in der DDR im Bereich der Landwirtschaft bis 1990 in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, danach bis 2006 im Baugewerbe und ab 2007 bei der D AG beschäftigt. Nachdem er seit .. August 2014 arbeitsunfähig krankgeschrieben war, absolvierte er vom .. bis .. 2015 bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis in Kostenträgerschaft der Beklagten eine stationäre psychosomatische Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der Fachklinik .. . Aus ihr wurde er als arbeitsunfähig, jedoch mit einem erhaltenen Leistungsvermögen von täglich wenigstens sechs Stunden für die letzte berufliche Tätigkeit und solche des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne jegliche Einschränkungen entlassen (Behandlungsdiagnosen: Mittelgradige depressive Episode, sonstige somato-forme Störungen, Zustand nach mehrfacher Ellenbogen-OP. links bei Bursitis calcarea Unterarm (Olecranon), LWS-Syndrom beidseits mit Ischias überwiegend rechter Oberschenkel, zervikozephales Syndrom). Wegen der noch vorhandenen depressiven Symptomatik sei der Kläger als „mittelfristig“ arbeitsunfähig entlassen worden. Es werde jedoch von einer positiven Entwicklungsprognose ausgegangen, weil die depressive Symptomatik bisher nicht ausreichend ambulant behandelt worden sei. Zu solch einer Behandlung sei der Kläger auch sehr motiviert.

Der Kläger, der auch nach dem Ende der Maßnahme arbeitsunfähig krankgeschrieben war und Krankengeld bezog, beantragte im Juli 2015 erstmals Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er halte sich seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im August 2014 für erwerbsgemindert. Er sei ausgebrannt mit starker seelischer und körperlicher Erschöpfung, starken Konzentrationsstörungen, täglichen Schlafstörungen mit Alpträumen, starken Stimmungsschwankungen, Antriebsschwäche, Stechen im Kopf verbunden mit Sehstörungen sowie Herzstechen, Überforderung durch tägliche Umweltgeräusche und kleine Menschenmengen sowie nach kurzer Zeit (mit der Notwendigkeit langer Ruhepausen) bei der Ausführung von Hausarbeiten. Wegen seiner Behinderung als trockener Alkoholiker habe er Angst, Medikamente einzunehmen, was eine Behandlung erschwere. Die gesundheitlichen Beschwerden beeinträchtigten seine derzeitige Arbeit, wo täglich Mobbingdruck des Vorgesetzten stattfinde. Zu seinem Antrag legte er den Bescheid des .. Amtes für Soziales und Versorgung vom .. vor, durch den ihm ein Grad der Behinderung nach dem Recht der Teilhabe von 30 zuerkannt worden war (berücksichtigte Behinderung: „Psychische Abhängigkeit, Heilungsbewährung“).

Die Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht der Fachklinik .. und einen von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. .. für die .. Krankenversicherung AG erstellten Befundbericht vom .. bei. Die Behandleri...

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