Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Zuständigkeit. Unternehmerverzeichnis. unrichtige Eintragung. schwerwiegende Unzuträglichkeit. Rücknahme. Zuständigkeitsbescheid. Nichtigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Hat eine Berufsgenossenschaft einem Unternehmen einen Zuständigkeitsbescheid erteilt und widerspricht die Aufnahme als Mitglied nicht eindeutig den Zuständigkeitsregelungen, dann ist ein zu einem späteren Zeitpunkt von einer anderen Berufsgenossenschaft erteilter Zuständigkeitsbescheid rechtswidrig.
2. Zur Rücknahme von Zuständigkeitsbescheiden.
Orientierungssatz
1. Eine Doppelmitgliedschaft stellt einen elementaren Verstoß gegen das Versicherungsprinzip mit der Folge der Nichtigkeit des späteren Aufnahmebescheids dar.
2. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist unrichtig iS des § 664 Abs 3 RVO die Eintragung eines Unternehmers in das Unternehmerverzeichnis einer BG, wenn sie entweder aufgrund eines so gröblichen Irrtums erfolgt ist, daß die weitere Belassung des Unternehmers bei der formal zuständig gewordenen BG der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig zuwiderlaufen würde, oder wenn nachweisbar schwerwiegende Unzuträglichkeiten bestehen, welche die Belassung des Unternehmens als unbillige Härte erscheinen lassen (vgl BSG vom 30.10.1974 - 2 RU 42/73 = BSGE 38, 187).
3. Zum Begriff der schwerwiegenden Unzuträglichkeit (vgl BSG vom 28.11.1961 - 2 RU 36/58 = BSGE 15, 281).
Tatbestand
Streitig ist die berufsgenossenschaftliche Zugehörigkeit des Klägers.
Dieser betreibt als selbständiger Einzelunternehmer eine Vertriebsagentur, die aus einer Neuorganisation des bei der Beklagten zu 1) versicherten Unternehmens "Verlag Der Tagesspiegel GmbH" hervorgegangen ist. Die früher von dem Verlag selbst organisierte Zustellung der Tageszeitung ist mit Wirkung vom 1. Februar 1994 an von mehreren Agenturen in Berlin übernommen worden, zu der auch die des Klägers gehört. Der Verlag steht nach einer der Beklagten zu 1) am 4. Mai 1994 erteilten Auskunft in keiner rechtlichen Verbindung zu den Agenturen. Es handele sich nicht um eine Ausgliederung und rechtliche Verselbständigung ihres Zustelldienstes, sondern um eine Funktionsübertragung auf selbständige Unternehmungen. Gegenstand der Agentur des Klägers ist die Zustellung von Presseerzeugnissen, zu denen außer dem Tagesspiegel noch diverse andere Tages- und Wochenzeitungen gehören, sowie die Zustellung von Anzeigenblättern und Werbeprospekten. Er beschäftigt laut Unternehmensbeschreibung vom Februar 1994 zwei Personen für kaufmännische Arbeiten und ca. 60 Zeitungs- und Zeitschriftenträger.
Mit Übersendung der Unternehmensbeschreibung vom 21. Februar 1994 an die Beklagte zu 2) beantragte der Kläger die Mitgliedschaft in dieser Berufsgenossenschaft -BG-. Dem entsprach diese durch den bindend gewordenen Mitgliedsschein vom 25. März 1994 mit Wirkung ab 1. Februar 1994. Durch Bescheid vom 4. August 1994 löschte sie die Mitgliedschaft wieder, nachdem die Beklagte zu 1) ihre Zuständigkeit erklärt hatte, weil sie seit jeher der fachlich zuständige Unfallversicherungsträger für Zeitungs- und Zeitschriftenvertriebsstellen (Auslieferung durch Austräger) sei und auch kein Überweisungsverfahren an die Beklagte zu 2) stattgefunden habe.
Durch Aufnahme- und Mitgliedsschein vom 18. Juli 1994 erfaßte die Beklagte zu 1) den Kläger in ihrem Unternehmensverzeichnis als Mitglied. In einem weiteren Bescheid vom gleichen Tage setzte sie die Gefahrenklasse für den gewerblichen (technischen) Teil auf 7 und den Büroteil auf 0,7 fest.
Der Kläger widersprach sowohl seiner Löschung aus dem Unternehmerverzeichnis der Beklagten zu 2) als auch seiner Aufnahme durch die Beklagte zu 1) in deren Unternehmerverzeichnis. Er machte mit inhaltsgleichen Widerspruchsschriften geltend, der Löschungsbescheid der Beklagten zu 2) sei bereits in formeller Hinsicht fehlerhaft. Es handele sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch -SGB X-, der schriftlich hätte begründet werden müssen. Hieran fehle es. In materiellrechtlicher Hinsicht sei er rechtswidrig, weil die Agentur nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung der Beklagten zu 2) ("Verteilung von Druckerzeugnissen") in deren Zuständigkeit gehöre. Er habe ihr im Schreiben vom 21. Februar 1994 die Unternehmensverhältnisse mitgeteilt. Das habe nach Prüfung der Unterlagen durch diese zur Aufnahme in deren Unternehmerverzeichnis geführt. Die Löschung könne nicht auf § 664 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung -RVO- gestützt werden, denn seine Eintragung sei weder aufgrund eines gröblichen Irrtums erfolgt noch seien schwerwiegende Unzuträglichkeiten nachweisbar, welche die Belassung seines Betriebes bei ihr als unbillige Härte erscheinen ließe. Auch eine Berichtigung nach § 667 Abs. 2 Satz 2 RVO scheide aus, weil sich seine tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse seit der Eintragung in das Unternehmerverzeichnis nicht geändert hätten. Selbst wenn sich nach § 3 Ziffer 9 der Satzung der Beklagten zu 1) (... "ist sachlich zus...