Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzugsstelle. Einziehung. Sozialversicherungsbeiträge. Arbeitgeber. Lastschriftverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zu den Pflichten einer Einzugsstelle, Sozialversicherungsbeiträge von einem Arbeitgeber im Lastschriftverfahren einzuziehen (Rechtslage bis zum Inkrafttreten des 2. SGB-ÄndG vom 17.06.1994, BGBl I S 1229)
Tatbestand
Die klagende Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nimmt die beklagte Ersatzkasse als Einzugsstelle auf Schadensersatz in Höhe von (noch) 70.550,68 DM gem. § 28r Sozialgesetzbuch/Viertes Buch - SGB IV - in Anspruch. Ihren Anspruch leitet die Klägerin daraus her, daß die Niederlassungen der Beklagten in der Zeit von Dezember 1991 bis November 1993 Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten nicht immer rechtzeitig eingezogen hätten.
Im März/April 1994 führte die Klägerin bei der Beklagten eine Einzugsstellenprüfung für die Jahre 1992 und 1993 durch. Dabei gelangte sie zu der Feststellung, daß die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge von den Konten derjenigen Arbeitgeber, die ihr zum Zwecke des Beitragseinzugs eine Bank-Einzugsermächtigung im Lastschriftverfahren erteilt hatten, oftmals nicht fristgerecht eingezogen habe. Insgesamt seien im Prüfungszeitraum Beiträge zur Angestelltenversicherung in einem Umfang von 298.188.448,-- DM betroffen. Berücksichtige man einen darin enthaltenen Anteil von Beitragsnachzahlungen von - geschätzt - 5 %, ergäben sich jedenfalls verspätet eingezogene Beiträge in Höhe von 283.279.025,-- DM. Hieraus errechne sich zugunsten der Klägerin ein von der Beklagten gem. § 28 r Abs. 2 SGB IV zu zahlender Nachteilsausgleich in Höhe von 76.757,59 DM. Die Beklagte trat der ihr gegenüber geltend gemachten Forderung entgegen: Es treffe zwar zu, daß vereinzelt Gutschriften im Einzugsverfahren nach dem Fälligkeitstag gelegen hätten, jedoch noch stets deutlich innerhalb der Nachfrist von einer Woche, die in dem seinerzeit noch in Geltung gewesenen § 24 Abs. 1 SGB IV angelegt sei. Daher habe sie ihre Pflichten als Einzugsstelle nicht schuldhaft verletzt.
Im Dezember 1994 hat die Klägerin das Sozialgericht Berlin mit ihrer Klage auf Zahlung von 76.757,59 DM angerufen und weiterhin geltend gemacht, die Beklagte habe die Beiträge zur Angestelltenversicherung in Einzelfällen nicht rechtzeitig eingezogen: Nach § 28f Abs. 3 SGB IV sei sie gehalten gewesen, bei fehlendem Beitragsnachweis die Höhe der Beiträge zu schätzen. Da sie dieses unterlassen habe, sei darin jeweils eine schuldhafte Pflichtverletzung zu sehen, die zur Zahlung entgangener Zinsgewinne aus den Beitragseinnahmen führen müsse. Die Beklagte hat demgegenüber einzelne Gründe angeführt, die in vielen Fällen dem Beitragseinzug zu einem früheren Zeitpunkt entgegengestanden hätten. Eine Schätzung von Arbeitsentgelten und Beiträgen bei fehlenden Beitragsnachweisen sei nach der seinerzeit maßgeblichen Rechtslage unter mehreren Aspekten nicht sachgerecht gewesen. Weder habe sie Pflichten verletzt, noch schuldhaft billigend den Bankeinzug zu einem späteren Zeitpunkt in Kauf genommen.
Auf die Auflage des Sozialgerichts hin, Schaden und Schadenshöhe darzulegen und zu beweisen, hat die Klägerin 98 Seiten mit Zahlentabellen überreicht (Bl. 28 bis 126 GA).
Mit Urteil vom 15. März 1996 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 28r SGB IV seien nicht erfüllt, da die Klägerin weder schlüssig vorgetragen noch nachgewiesen habe, daß die Beklagte ihre Pflichten als Einzugsstelle schuldhaft verletzt habe. Es seien keine Tatsachen vorgetragen worden, die geeignet seien, den behaupteten Schadensersatzbetrag zu begründen. Trotz Aufforderung des Gerichts habe die Klägerin nicht vorgetragen, welche Beiträge des Arbeitgebers in welchem Zeitraum um wieviele Tage zu spät abgebucht worden seien, weil der Arbeitgeber bestimmte Beitragsnachweise verspätet eingereicht habe. Es scheine zwischen den Beteiligten zwar nicht streitig zu sein, daß es von Januar 1992 bis Ende November 1993 zur verspäteten Einziehung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen gekommen sei. Die gleichlautende Ansicht der Beteiligten sei aber keine geeignete Grundlage für den Nachweis eines Schadensersatzanspruchs in zahlenmäßig bestimmter Höhe. Diese Grundlage lasse sich auch dem von der Klägerin eingereichten Zahlenwerk nicht entnehmen; die Zahlen seien weder für das Gericht nachvollziehbar, noch ließen sich daraus die Tatbestände des §28 f Abs. 3 SGB IV konkret entnehmen, und zwar sowohl für den Nachweis der schadensstiftenden Handlung als auch für den Schadensnachweis. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, ihr seien Zinsen entgangen, aber nicht dargelegt oder belegt, daß und in welcher Höhe ihr Zinsen dadurch entgangen seien, daß sie konkret geplante Geldanlagemöglichkeiten wegen des Verhaltens der Beklagten nicht habe nutzen können. Der denkbare Anspruch auf Schadensersatz nach § 28r Abs. 1 SGB IV sei der Höhe nach konkret nachzuweisen. Die H...