Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen "G". Wertmarken für unentgeltliche Beförderung. Folgen bei nachträglicher Zuerkennung von "G"
Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch auf Überlassung von Wertmarken für eine unentgeltliche Beförderung für die Vergangenheit bei nachträglicher Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Orientierungssatz
1. Bei den sogenannten Statusfeststellungen im Schwerbehindertengesetz handelt es sich nicht um Sozialleistungen im Sinne von § 11 SGB 1, so daß im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB 10 nicht Absatz 1 sondern Absatz 2 zur Anwendung kommt.
2. Mit dem im öffentlichen Recht anerkannten und im Sozialrecht in § 131 Abs 1 SGG normierten allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch kann nur die Herstellung des ursprünglichen Zustandes vor Erlaß des rechtswidrigen Verwaltungsaktes und dessen Vollzug begehrt, nicht jedoch die Gewährung einer zu Unrecht abgelehnten Begünstigung verlangt werden (vergleiche BSG vom 18.12.1975 - 12 RJ 88/75 = BSGE 41, 126).
3. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann nur durch die Verletzung solcher Pflichten ausgelöst werden, hinsichtlich derer die Rechtsfolgen nicht ausdrücklich geregelt sind; insbesondere geht § 44 SGB 10 als Sondervorschrift den Regelungen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vor.
Tatbestand
Der 1931 geborene Kläger begehrt von dem Beklagten rückwirkend für den Zeitraum vom 1. August 1989 bis 30. November 1993 die Überlassung von Wertmarken für Freifahrten für Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen "G" -erhebliche Gehbehinderung- und Ausstellung der entsprechenden Beiblätter zum Schwerbehindertenausweis.
Im Widerspruchsverfahren gegen den die Neufeststellung des Behindertenstatus ablehnenden Bescheid des Versorgungsamtes I Berlin vom 27. Juli 1989 hatte der Kläger mit Schreiben vom 6. September 1989 erstmals die Feststellung des Merkzeichens "G" beantragt. Widerspruchs- und Klageverfahren (S 49 Vs 2014/89) waren erfolglos geblieben. Dem Begehren des Klägers entsprechend hatte das Versorgungsamt die Klageschrift vom 8. Dezember 1989 als Überprüfungsantrag im Sinne von § 44 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) angesehen, diesen jedoch mit Bescheid vom 6. Dezember 1990 abgewiesen. Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin (S 47 Vs 749/91) den Beklagten am 13. August 1993 verurteilt, den Bescheid vom 27. Juli 1989 zurückzunehmen und beim Kläger das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" anzuerkennen. In Ausführung dieses Urteils hat das Versorgungsamt I Berlin durch Bescheid vom 20. Januar 1994 bei dem Kläger das Merkzeichen "G" festgestellt.
Die zwischenzeitlich vom Kläger begehrte Erstattung seiner Fahrtkosten für die im Zeitraum von Juli 1989 bis August 1993 erworbenen BVG-Monatsmarken in Höhe von 2.400 DM ist vom Versorgungsamt I Berlin mit Bescheid vom 28. Januar 1994 abgelehnt worden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben - Landesversorgungsamt - durch Widerspruchsbescheid vom 21. April 1994 mit der Begründung zurückgewiesen, daß das Schwerbehindertengesetz wie auch das Erste und Zehnte Sozialgesetzbuch (SGB I und SGB X) eine Erstattung von entstandenen Fahrtkosten im öffentlichen Personennahverkehr bei nachträglicher - auch rückwirkender - Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vorsehe; die Erstattung von Fahrtkosten könne auch nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Betracht kommen, da erst nach Rechtskraft des sozialgerichtlichen Urteils vom 13. August 1993 die Grundlagen für die Ausstellung eines Beiblattes mit der Wertmarke gemäß § 59 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) vorgelegen hätten; die Übersendung des Beiblattes sei nach Entrichtung des Jahresbetrages von 120,-- DM unverzüglich vorgenommen worden. Die dagegen gerichtete Klage (S 47 Vs 1129/94) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11. November 1994 zurückgenommen.
Im April 1995 wandte sich der Kläger erneut an das Versorgungsamt unter Vorlage von Auskunftsschreiben der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) vom 1. März 1995 und 10. April 1995 und beantragte, ihn zur nachträglichen Bezahlung der notwendigen Wertmarken zuzulassen. Die BVG habe sich auf seine Anfrage bereit erklärt, die überzahlten Beträge für die zum 1. Februar 1994 gekündigte Seniorenkarte zu erstatten, wenn sie vom Versorgungsamt für diesen Zeitraum die entsprechenden Zuschüsse aus Steuermitteln erhalte und der Kläger beim Versorgungsamt die notwendigen Wertmarken nachbezahle. Mit Bescheid vom 24. April 1995 lehnte das Versorgungsamt I Berlin die Zulassung zur nachträglichen Bezahlung von Wertmarken unter Hinweis auf seine früheren Bescheide und die Rechtsprechung zur Erstattung von Fahrtkosten bei rückwirkender Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab; danach komme die Inanspruchnahme von Vergünstigungen - wie der Wertmarke aufgrund des Merkzeichens "G" - grundsätzlich nur für die Zukunft in Betracht. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landesamt für Zent...