Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldes. Beschäftigung im Beitrittsgebiet. Leistungsbemessungsgrenze

 

Orientierungssatz

1. Die zuletzt ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung iS des § 249c Abs 9 AFG ist mit der für die Bemessung des Arbeitslosengeldes maßgeblichen letzten beitragspflichtigen Beschäftigung im Bemessungszeitraum in Beziehung zu setzen. Unter "zuletzt" ist nicht ein Zeitpunkt zu verstehen, sondern der letzte Zeitraum, der für die Leistungsbemessung maßgeblich ist.

2. Dies führt dazu, unter dem Gebiet iS des § 249c Abs 9 AFG, in dem der Arbeitslose zuletzt in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, dasjenige Gebiet zu verstehen, das für den Bemessungszeitraum prägend war. Es ist die Leistungsbemessungsgrenze des Gebietes maßgebend in dem der Arbeitslose im Bemessungszeitraum überwiegend beschäftigt war.

3. Dieses Ergebnis trägt zugleich verfassungsrechtlichen Bedenken (Eigentumsschutz nach Art 14 GG) Rechnung (vgl BSG vom 21.9.1995 - 11 RAr 17/95 = SozR 3-4100 § 249c Nr 6).

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin auf der Grundlage eines höheren Bemessungsentgelts höheres Arbeitslosengeld (Alg) zusteht.

Die 1955 geborene, in B lebende Klägerin war vom 1. Januar 1989 bis 30. Juni 1994 als Gruppenleiterin bei der VDI/VDE Technologiezentrum/Informationstechnik GmbH beschäftigt, die nach den Angaben der Klägerin bis Juni 1993 in B ansässig war und seitdem in T geschäftsansässig ist. Vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 1995 arbeitete die Klägerin als Abteilungsleiterin bei der Sozialkasse des B Baugewerbes, die ihren Sitz nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin zum 1. November 1995 von B nach B verlegt hat. Das monatliche Bruttoarbeitsentgelt betrug in den letzten Abrechnungszeiträumen von Juli bis Dezember 1995 bei einer tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden gleichbleibend 7.544,-- DM.

Auf den Antrag der Klägerin vom 3. Januar 1996 bewilligte ihr die Beklagte durch endgültigen Bescheid vom 16. Februar 1996 entsprechend ihren Angaben im Leistungsantrag Alg vom 3. Januar 1996 an für 312 Tage nach einem gerundeten wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelt (= Bemessungsentgelt) von 1.590,-- DM unter Einstufung in die Leistungsgruppe B (= Steuerklasse II) bei einem erhöhten Leistungssatz (ein Kind) in Höhe von 589,80 DM wöchentlich.

Im Widerspruchsverfahren, in dem die Klägerin im wesentlichen eine höhere Leistung erstrebte und um Erläuterung der bewilligten Leistungshöhe bat, erließ die Beklagte den Bescheid vom 17. Juli 1996. Darin legte sie für die Zeit vom 1. Juli 1996 an statt der Leistungsgruppe B die Leistungsgruppe A (= Steuerklasse I) und statt des erhöhten Leistungssatzes den allgemeinen Leistungssatz zugrunde, wonach sich eine wöchentliche Leistung von 498,60 DM ergab.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28. August 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Darin ließ sie den Bescheid vom 17. Juli 1996 unberücksichtigt und legte die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Februar 1996 dar. Der Leistungsbewilligung seien ein Bemessungsentgelt von "1.740,-- DM" sowie die "Leistungsgruppe B/1 (Lohnsteuerklasse II, mindestens ein Kind)" zugrunde zu legen.

Mit der am 28. September 1996 beim Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Klage machte die Klägerin geltend, bei einem Bemessungsentgelt von 1.740,-- DM und der "Leistungsgruppe B/1" betrage das Alg nach der Tabelle zur Leistungsverordnung 1996 631,80 DM wöchentlich und nicht, wie im Bescheid festgesetzt, 589,80 DM wöchentlich.

Die Beklagte erläuterte, bei der Bestimmung der Leistungssätze sei als Leistungsbemessungsgrenze die für den Beitrag zur Bundesanstalt für Arbeit geltende Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen. Da es für das Beitrittsgebiet (neue Bundesländer und Berlin (Ost)) und die alten Bundesländer je unterschiedliche Beitrags- und damit Leistungsbemessungsgrenzen gebe, bestimme § 249 c Abs. 9 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die für den letzten Beschäftigungsort vor Entstehung des Anspruchs geltende Leistungsbemessungsgrenze als maßgebend. Da die Klägerin zuletzt in Berlin (Ost) beschäftigt gewesen sei, sei für sie die dort geltende Leistungsbemessungsgrenze maßgebend. Diese belaufe sich für das Jahr 1996 auf 1.590,-- DM wöchentlich. Folglich sei die Leistung bei Einstufung in die "Leistungsgruppe B/l" in Höhe von 589,80 DM wöchentlich zu bewilligen gewesen.

Indessen erließ die Beklagte am 17. Oktober 1996 für die Zeit vom 30. August 1996 an einen weiteren, dem Bescheid vom 17. Juli 1996 entsprechenden Bescheid. Der Alg-Anspruch war mit Ablauf des 31. Dezember 1996 erschöpft.

Das SG verurteilte die Beklagte am 15. April 1997 antragsgemäß unter Änderung des Bescheides vom 16. Februar 1996 in der Gestalt des Bescheides vom 17. Juli 1996 und des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1996, Alg auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 1.690,-- DM nach der Leistungsgruppe B und dem erhöhten Leistungssatz zu gewähren. Dieses Bemessungsentgelt ergab sich daraus, d...

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