Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschädigtenversorgung. Hinterbliebenenleistung. Kriegsgefangenschaft. langjährige Inhaftierung. extreme Lebensbedingungen. Kausalität. wesentliche Mitursache. Anlageleiden. anerkanntes Versorgungsleiden: Herzmuskelschaden nach Dystrophie. Arteriosklerose
Orientierungssatz
1. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung nach § 5 HHG iV mit § 38 BVG, wenn nach dem Beweisergebnis feststeht, dass der als Versorgungsleiden anerkannte "Herzmuskelschaden nach Dystrophie" nicht wesentliche Ursache des Todes im Sinne der im Versorgungsrecht herrschenden Kausalitätstheorie war.
2. Zum ursächlichen Zusammenhang zwischen extremen Lebensverhältnissen während einer Inhaftierung und der Entstehung einer Arteriosklerose mit der Manifestation einer coronaren Herzerkrankung.
3. Die Anerkennung einer Arteriosklerose erfordert nach Nr 92 Abs 4 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem SchwbG 1983 (AHP 1983) arteriosklerotische Gefäßkomplikationen im Anschluss an die extremen Lebensverhältnisse bis zu zwei Jahren.
4. Voraussetzung der so genannten Kannversorgung, zu der der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in den AHP 1983 Rdnr 92 Abs 4 S 217 allgemein seine Zustimmung erteilt hat, ist, dass die arteriosklerotischen Komplikationen in einem Lebensalter bis zu 50 Jahren eingetreten sind. Für eine erweiternde Auslegung der Kannversorgung gibt es weder medizinische Grundlagen noch eine rechtliche Möglichkeit.
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 1993 werden zurückgewie- sen.
Die Klage des Beigeladenen gegen den Bescheid vom 31. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2000 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind Ansprüche der 1994 verstorbenen FM. L. (FML) auf Hinterbliebenenleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Verbindung mit dem Häftlingshilfegesetz (HHG) nach ihrem 1987 verstorbenen Ehemann S. L. (L).
Der 1901 geborene L. war Kreisverwaltungssekretär. Er wurde nach englischer Kriegsgefangenschaft 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht interniert und in die Internierungslager S., K., J. und B. verbracht. In den so genannten Waldheimprozessen wurde er zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt und am 28. April 1956 aus der Strafvollzugsanstalt B. nach B.-C. entlassen.
Auf seinen Antrag vom 19. Oktober 1956 erkannte das Versorgungsamt K. aufgrund eines Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin Dr. S. vom 15. November 1956 mit Bescheid vom 8. Januar 1957 einen “Nährstoffmangel nach langjähriger Inhaftierung" als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. an. Eine von Dr. S. festgestellte beginnende Verhärtung der Hauptkörperschlagader wurde neben anderen Leiden nicht als Schädigungsfolge anerkannt. Anlässlich einer Nachuntersuchung stellte Dr. T. am 12. Februar 1959 eine Herzschädigung leichteren Grades sowie eine röntgenologisch deutliche Aortensklerose fest. Es sei sicherlich auch bereits zu Verkalkungsvorgängen an den Herzkranzgefäßen gekommen. Diese Veränderungen müssten als alters- und schicksalsbedingt angesehen werden. Schädigungs- und Nichtschädigungsfolgen seien jeweils mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Ein besonderes Betroffensein im Beruf wurde verneint. Aus dem Aktenvermerk vom 14. April 1959 ist zu entnehmen, dass nach Feststellung des Versorgungsamtes K. die Schädigungsfolgen keinen Einfluss darauf hatten, dass L. seinen Beruf nunmehr als Verwaltungsangestellter und nicht als Verwaltungssekretär ausübe. Es läge allein an der wirtschaftspolitischen Teilung Deutschlands, dass L. nicht mehr als Beamter eingestellt werden könnte. Mit Bescheid vom 14. April 1959 wurde die anerkannte Schädigungsfolge als “Herzmuskelschaden" bezeichnet und mit einer MdE von 30 v.H. bewertet.
Auf einen Verschlimmerungsantrag vom 14. Dezember 1960, den L. mit einem am 28. September 1960 erlittenen Herzinfarkt begründete, holte das Versorgungsamt K. ein Gutachten vom 2. Februar 1961 durch Dr. B. ein. Danach konnten keine sicheren Hinweise auf ein Infarktgeschehen festgestellt werden. Zwar erscheine das Herz im Röntgenbild im Ganzen etwas groß, jedoch ließen die übrigen Untersuchungsergebnisse eine wesentliche Befundänderung im Vergleich zur Voruntersuchung nicht annehmen. Die bisherige MdE von 30 v.H. sei weiterhin ausreichend. Die vermehrten Beschwerden seien in erster Linie auf die deutlichen arteriellen sklerotischen Gefäßveränderungen zurückzuführen, die das anerkannte Leiden in Zukunft immer mehr überlagern würden. Insbesondere sei die Anerkennung eines Infarktes oder seiner Folgen nicht möglich, da es sich hierbei nicht um die Folgen eines Herzmuskelschadens handele, sondern um die Folgen der Coronarsklerose, die nicht anerkannt sei und nicht anerkannt werden könne....