Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeit. Vermögensverwertung. Wertpapier. Sparguthaben. bereits berücksichtigtes Vermögen

 

Orientierungssatz

1. Zur Verwertung von Wertpapiervermögen und Sparguthaben vor Inanspruchnahme von Arbeitslosenhilfe.

2. Vermögen, das im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 9 AlhiV bereits berücksichtigt worden, jedoch tatsächlich nicht verbraucht worden ist, bleibt von einer weiteren Anrechnung ausgeschlossen, da es als verwertet anzusehen ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.08.2001; Aktenzeichen B 11 AL 11/01 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 23. November 1998 bis zum 24. April 1999.

Der ... 1948 geborene Kläger war vom 1. November 1977 bis zum 30. Juni 1992 als Leiter des Zentrallagers bei der A Nord KG beschäftigt und erhielt aus Anlass der Beendigung eine Abfindung in Höhe von 87.500,-- DM. Anschließend bezog er -- unterbrochen vom Bezug von Krankengeld -- Arbeitslosengeld (Alg). Vom 10. August 1994 bis zum 23. Februar 1996 war er bei der H GmbH als Leiter des Rechnungswesens mit einem monatlichen Bruttogehalt von 8.000,-- DM beschäftigt. Danach bezog er Alg.

Wegen der Erschöpfung seines Anspruchs auf Alg am 12. Juli 1997 beantragte der Kläger am 30. Juni 1997 Anschluss-Alhi. Dabei gab er an, über Bankguthaben von insgesamt 82.250,-- DM, Aktien im Wert von 8.600,-- DM, einen Bundesschatzbrief über 50.000,-- DM sowie zwei Kapitallebensversicherungen über Versicherungssummen von 57.307,-- DM und 12.563,-- DM (jeweils fällig am 31. Dezember 2007) zu verfügen.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1997, den der Kläger bestandskräftig werden ließ, lehnte die Beklagte den Antrag auf Alhi ab. Der Kläger verfüge unter Berücksichtigung des Freibetrages von 8.000,-- DM über ein Vermögen von 132.850,-- DM, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Werde das zu berücksichtigende Vermögen durch das Arbeitsentgelt geteilt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (1.850,-- DM), sei der Kläger für 71 Wochen nicht bedürftig.

Am 23. November 1998 meldete der Kläger sich erneut arbeitslos und beantragte Alhi. Seine Bankguthaben betrugen nunmehr 31.003,-- DM, der Kurswert der Aktien 18.462,50 DM, die Werte des Bundesschatzbriefes und der Kapitallebensversicherungen waren unverändert. Zu seinem Vermögen teilte der Kläger ergänzend mit, es handele sich um den Rest des bereits im Antrag vom Juli 1997 angegebenen Vermögens, das eigentlich seiner zusätzlichen Alterssicherung dienen sollte und "teilweise als Zusatzeinkommen zur Alhi gedacht" gewesen sei.

Durch Bescheid vom 23. November 1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Alhi ab. Der Kläger verfüge noch über ein verwertbares Vermögen von 41.465,46 DM, so dass er bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte, für 22 Wochen nicht bedürftig sei.

Mit dem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, bei der Abgabe seines ersten Antrages sei ihm von der damaligen Sachbearbeiterin mitgeteilt worden, bei einer erneuten Antragstellung werde das bereits angegebene Vermögen nicht mehr berücksichtigt. Außerdem solle sein Vermögen ihm im Rentenalter oder im Fall der Arbeitslosigkeit eine angemessene Lebensführung ermöglichen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. An der bisher vertretenen Rechtsauffassung, dass bereits berücksichtigtes Vermögen bei einer späteren Prüfung der Bedürftigkeit nicht noch einmal berücksichtigt werden dürfe, werde nicht mehr festgehalten. Entscheidend sei, dass der Lebensunterhalt des Arbeitslosen während des jeweiligen Zeitraums gesichert sei, für den Alhi beansprucht werde, so dass das tatsächlich vorhandene Vermögen zu berücksichtigen sei. Der Alterssicherung dienten vor allem Lebensversicherungen und von Kreditinstituten angebotene vergleichbare Anlageformen; insoweit sei der Bundesschatzbrief nicht berücksichtigt worden, wohl aber die Sparguthaben und die Aktien.

Auf die dagegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobene Klage verurteilte das SG die Beklagte, dem Kläger Alhi ab 23. November 1998 zu gewähren (Urteil vom 23. Juni 1999). Der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 190 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III, indem er arbeitslos sei, sich arbeitslos gemeldet habe, keinen Anspruch auf Alg wegen Nichterfüllung der Anwartschaftszeit habe und die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfülle. Er sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch bedürftig. Für den Anspruch auf Alhi ab 23. November 1998, d.h. dem ersten Tag, der nicht mehr von der Rechtsfolge des § 9 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) bezogen auf den Antrag vom 14. Juli 1997 erfasst worden sei, sei das bereits in der vorangegangenen Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigte Vermögen nicht erneut anzurechnen. § 9 Alhi-VO bestimme nicht nur die Art der Umrechnung des vorhandenen Vermögens auf Zeiträume, sondern besage auch, von welchem Zeitpunkt an Arbeitslose...

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