Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeiten bei Aufenthalt in einem Lager für Displaced-Persons. Anforderungen an gewöhnlichen Aufenthalt
Orientierungssatz
Für einen gewöhnlichen Aufenthalt ist die Freiwilligkeit (sog Domizilwillen) nicht ausschlaggebend, von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse. Ein gewöhnlicher Aufenthalt setzt vor allem voraus, dass sich der Betreffende überhaupt an diesem Ort aufhält, und dass er hier den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hat (vgl BSG Urteil vom 29.5.1991 - 4 RA 38/90 = SozR 3-1200 § 30 Nr 5).
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Altersrente.
Die Klägerin ist ... 1927 in ... Ungarn geboren. Sie ist jüdischer Abstammung und wurde deswegen verfolgt. Für die Zeit von Ende März 1944 bis Ende März 1945 erhielt sie eine Entschädigung wegen Freiheitsschaden. Nach dem Kriege gelangte sie nach Deutschland. Ihr Sohn A E wurde am ... Dezember 1947 in W, ihre Töchter wurden nach ihrer Einwanderung in Israel 1950 und 1953 geboren. Die Klägerin war in Israel von April 1954 bis September 1975 pflichtversichert.
Im Januar 1995 stellte sie einen Antrag auf Leistungen für Kindererziehung. Mit Bescheid vom 24. Mai 1995 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Kindererziehungszeiten mit der Begründung ab, § 12a des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung -- WGSVG -- setze voraus, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder dem jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze aus Verfolgungsgründen bis zum 8. Mai 1945 aufgegeben worden sei. Nach dem Inhalt der Entschädigungsakten habe die Klägerin Deutschland nach ihrer Heirat in G erst 1947 verlassen. Dieser Bescheid wurde bindend.
Auch der im Juni 1995 gestellte Rentenantrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 16. Dezember 1996/Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1997), weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Zu den geltend gemachten Zeiten wurde u.a. ausgeführt, eine Kindererziehungszeit könne nicht anerkannt werden, weil die Zeit eines DP-Aufenthaltes in Deutschland nicht als gewöhnlicher Aufenthalt gelte. Die Ersatzzeit vom 31. März 1944 bis 31. März 1945 könne nicht anerkannt werden, weil die Klägerin nicht Versicherte sei.
Ein im Februar 1996 gestellter Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 24. Mai 1995 wurde bisher nicht beschieden.
Über den Aufenthalt der Klägerin in Deutschland lagen zur Zeit der ablehnenden Entscheidungen folgende Angaben vor:
Im Rentenantrag vom 30. Mai 1995 hat die Klägerin in der Rubrik "Ort und Kreis des letzten Aufenthalts (im Gebiet der jetzigen Bundesrepublik Deutschland) vor dem 19. Mai 1950" angegeben: A, sie gab dort ferner auf die Frage nach einer Ausbildung für die Auswanderung an: Juni 1945 bis März 1948 Hachschara in "G" bei F Deutschland. Im April 1948 sei sie ausgewandert.
Nach der israelischen Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom 25. Mai 1995 ist sie seit August 1948 israelische Staatsbürgerin.
In der Heiratsurkunde vom ... 1947 ist sie als in G wohnhaft eingetragen.
Aus der Geburtsurkunde des Sohnes A E lässt sich entnehmen, dass die Klägerin in S, Lager wohnhaft war und dass die Geburt im Städtischen Krankenhaus W stattgefunden hat.
Im Fragebogen für Ersatzzeiten gab sie an, sie sei von Juni 1945 bis Mai 1948 arbeitslos in der Hachschara in Deutschland gewesen.
Die Einwohnermeldeämter W und G konnten keine Unterlagen ermitteln.
Ferner aus den beigezogenen Entschädigungsakten:
Im Entschädigungsantrag vom 18. März 1950 ist als Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt am 1. Januar 1947 G genannt.
Nach der Bescheinigung des Internationalen Suchdienstes vom 21. Februar 1952 ist sie am 21. Februar 1946 in A gewesen.
Am 26. Januar 1955 hat sie eidesstattlich versichert, sie habe sich im Herbst 1946 nach G ins UNRRA-Lager begeben und sei von dort Mitte 1947 über Frankreich mit der "Exodus" nach Israel ausgewandert.
Nach der Bescheinigung des Internationalen Suchdienstes vom 20. September 1955 ist sie am 21. Februar 1946 im DP-Lager A und am 19. August 1946 in A gewesen.
In einem ärztlichen Gutachten vom 17. Mai 1964 wird in der Anamnese Folgendes geschildert:
"In A wurde sie befreit. Nach der Befreiung ging sie nach Ungarn, um ihre Familie zu suchen. Da sie niemanden fand, wollte sie sich das Leben nehmen. Sie fuhr zurück nach Deutschland, nach G bei F, wo Leute gesammelt wurden, die nach Israel fahren wollten. Sie blieb dort etwa ein bis anderthalb Jahre. Kam dann auf die Exodus, das Schiff wurde bekanntlich nicht ins Land gelassen. Sie fuhr zurück nach W, wo sie ein Kind gebar. 1948 (?) kam sie nach Israel, nach Haifa."
Die Klägerin hat gegen die Bescheide Klage erhoben (eingegangen am 14. Mai 1997). Sie hat beantragt, unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1997 die Kindererziehungszeiten vom 1. Januar 1948 bis 31. Dezember 1948, di...