nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Anwartschaftszeit. Kindererziehung. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Zeiten der Kindererziehung begründen kein Versicherungspflichtverhältnis, das zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für Arbeitslosengeld gereichen könnte.
2. Meldet sich ein Leistungsempfänger in die Selbstständigkeit ab, begründet dies für das Arbeitsamt keine Pflicht zur Spontanberatung über die Vierjahres-Frist des § 147 Abs. 2 SGB III. Mit der Abmeldung endet vielmehr das Sozialrechtsverhältnis.
3. Die Frist des § 147 Abs. 2 SGB III läuft rein kalendermäßg ab.
Normenkette
SGB III § 147
Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 18.06.2003; Aktenzeichen S 52 AL 4993/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Wiederbewilligung von Arbeitslosengeld über eine Restdauer von 137 Tagen für die Zeit ab dem 10. September 2002.
Der am 29. September 1965 geborenen Klägerin wurde ursprünglich Arbeitslosengeld für die Zeit ab 15. Mai 1998 mit einer Anspruchsdauer von 180 Tagen bewilligt. Ab dem 18. Mai 1998 bezog sie vorübergehend Unterhaltsgeld, vom 22. August 1998 bis zum 30. September 1998 erneut Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 22. September 1998 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ab dem 1. Oktober 1998 hauptberuflich als selbständige Rentenberaterin auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung tätig zu werden. Mit Bescheid vom 28. September 1998 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 auf. Die Restanspruchsdauer betrug 137 Tage.
Am 28. November 2000 brachte die Klägerin Zwillinge zur Welt; anschließend bezog sie Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz. Am 10. September 2002 meldete sie sich erneut arbeitslos und begehrte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 23. September 2002 lehnte die Beklagte dies ab, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei; die Klägerin habe innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 10. September 2002 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese eine falsche Berechnung der Rahmenfrist geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2002 zurück. Zur Begründung wurde nunmehr angeführt, der Anspruch auf Arbeitslosengeld könne nicht mehr geltend gemacht werden, weil nach seiner Entstehung (15. Mai 1998) vier Jahre verstrichen seien. Diese sich aus § 147 Abs. 2 SGB III ergebende Ausschlussfrist laufe kalendermäßig ab und könne - anders als etwa die Rahmenfrist - nicht verlängert werden. Einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe die Klägerin nicht erworben, da sie in der auf fünf Jahre zu verlängernden Rahmenfrist keine versicherungspflichtigen Zeiten von wenigstens 12 Monaten nachgewiesen habe. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestehe nicht, weil in der dreijährigen Vorfrist kein Arbeitslosengeld bezogen worden sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 29. Oktober 2002 Klage erhoben. Die Rahmenfrist sei von der Beklagten im Hinblick auf ihre freiberufliche Tätigkeit und die Erziehung der Zwillinge nicht zutreffend berechnet bzw. verlängert worden. Die Klägerin rügt außerdem einen Beratungsfehler der Beklagten, die sie vorab über die Ausschlussfrist aus § 147 Abs. 2 SGB III hätte aufklären müssen. Insoweit bestehe ein Herstellungsanspruch Die Vorschrift sei zudem verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie Frauen nach einer längeren Familienpause ins soziale Abseits schicke.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Juni 2003, der Klägerin zugestellt am 22. Juli 2003, hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, hat es im wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Wiederbewilligung von Arbeitslosengeld bestehe nicht; die Klägerin können den Anspruch nicht mehr geltend machen, da die Vierjahresfrist aus § 147 Abs. 2 SGB III schon vor der erneuten Arbeitslosmeldung abgelaufen sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme insoweit nicht in Betracht, denn die Beklagte habe keine Auskunfts- oder Beratungspflicht verletzt. Weil die Klägerin sich wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zum 1. Oktober 1998 aus dem Leistungsbezug abgemeldet habe, habe kein konkreter Anlass für die Beklagte bestanden, die Klägerin spontan und gesondert - über den Inhalt des ausgehändigten Merkblatts für Arbeitslose hinaus - auf die Ausschlussfrist hinzuweisen. Daneben bestehe kein Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Die verlängerte Rahmenfrist umfasse den Zeitraum 15. Mai 1998 bis 9. September 2002; Versicherungspflichtzeiten lägen hier nicht vor. Ebens...