Entscheidungsstichwort (Thema)

Herstellung von Eigenblutprodukt für ATC-Therapie nach Klehr bedarf Herstellungserlaubnis nach AMG 1976. keine Kostenübernahme durch Krankenversicherung bei fehlender Herstellungserlaubnis. Wirksamkeitsnachweis von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Hersteller von Eigenblutprodukten für die ATC-Therapie nach Klehr bedarf für die Zubereitung dieser Stoffe einer arzneimittelrechtlichen Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs 1 S 1 Abs 2 S 2 AMG 1976.

2. Solange keine Herstellungserlaubnis nach §§ 13 ff AMG 1976 für die Verwendung von Eigenblutprodukten vorliegt, dürfen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung damit zu Lasten der Krankenkassen nicht versorgt werden (Fortführung von BSG vom 23.7.1998 - B 1 KR 19/96 R).

3. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden hat und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewendet wird (Anschluß an BSG vom 16.9.1997 - 1 RK 28/95 und 1 RK 32/95 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 und 5).

4. Zu den Beweismitteln, mit denen die Durchsetzung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der medizinischen Wissenschaft und Praxis festgestellt werden kann.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.05.2000; Aktenzeichen B 1 KR 2/99 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, die Kosten für eine privatärztlich durchgeführte autologe Target-Cytokine-Therapie (ATC) nach K in Höhe von 11.838,72 DM zu erstatten.

Der Kläger ist der Sohn und Alleinerbe der 1918 geborenen und am 12. Juli 1995 gestorbenen W E R, die bei der Beklagten krankenversichert war (im folgenden: die Versicherte). Die Versicherte litt nach einem ärztlichen Bericht des Chefarztes der Urologischen Abteilung des U -Krankenhauses B Prof. Dr. W vom 5. April 1994 an einem seit 1992 bekannten Urachuskarzinom Stadium III A nach Sheldon, arteriellem Hypertonus, Herzrhythmusstörungen und einer coronaren Herzkrankheit.

Nach Beratung durch die Ärzte des U -Krankenhauses und ihrer behandelnden Ärzte entschloß sich die Versicherte, sowohl von einer Radiatio, einer Chemotherapie als auch einer Operation Abstand zu nehmen. Danach habe nach dem damaligen Stand der Erkenntnisse eine Radiatio aufgrund des Karzinomtyps keine Aussicht auf Erfolg gehabt und eine Chemotherapie aufgrund der vorbestehenden cardialen Grundkrankheit nicht durchgeführt werden können; eine radikale operative Tumorentfernung habe die Patientin in Anbetracht der Schwere des Eingriffs und ihres reduzierten Allgemeinzustandes abgelehnt (ärztliches Attest des behandelnden Internisten Dr. O vom 2. Mai 1995).

Stattdessen begab sie sich im Mai 1994 in Behandlung des in B -T niedergelassenen Internisten Dr. O und veranlaßte diesen, die ATC-Therapie nach K bei ihr durchzuführen. Diese von dem in M privatärztlich praktizierenden Arzt Dr. K primär als Tumortherapie angewandte Therapie soll körpereigene Immunzellen stimulieren, Immun-Mediatoren (Cytokine) zu produzieren, die eine auf die Tumorzelle gerichtete zelluläre Immunantwort induzieren. Nach einer Therapiebeschreibung Dr. K stellt die ATC-Therapie im Gegensatz zur aktiven Immunisierung mit Krebszellen und zur adoptiven Immuntherapie mit Lymphozyten und Interleukin insoweit ein Novum dar, als nur körpereigene Cytokine als Therapeutikum verwendet würden. Definitionsgemäß handele es sich demzufolge um ein Eigenblutprodukt, die bekannte Bedenken gegenüber Fremdblutprodukten seien demzufolge ausgeschlossen. Für die ATC-Tumortherapie würden die aus dem peripheren Blut des Patienten isolierten immunkompetenten Zellen (inklusive von Makrophagen phagozytiertes Tumorantigen) sowie Tumorzellen selbst mittels der Zellkulturtechnik aber ohne Fremdeiweiß-Zusatz aufbereitet. Durch ein speziell entwickeltes neues Verfahren werde zunächst den antigentragenden Makrophagen und Tumorzellen ihre immunologische Neutralität genommen; diese würden somit für die Abwehrzellen identifizierbar. Würden die so demaskierten Tumorzellen und Makrophagen mit den unbehandelten Gesamtleukozyten des Patienten inkubiert, so werde die spezifische in vitro Expression der Cytokine in Gang gesetzt Nach der individuell abhängigen Inkubation erfolge die Gewinnung der Zellmediatoren. Die maximale, also therapeutisch individuelle optimale Cytokine-Expression werde morphologisch an der Rosettenbildung erkannt und mittels ELISA gemessen. Für die Therapie stünden auf die vorgeschriebene Arbeitsweise hin körpereigene und tumorspezifische Immun-Mediatoren zur Verfügung. Das Therapeutikum bestehe aus 40 Ampullen (2 ml), die jeden zweiten Tag appliziert würden (möglichst in das Unterhautfettgewebe der Bauchregion oder des Oberschenkels). Es werde vermieden, einen größeren Pool von gleichbleibenden Immun-Mediatoren herzustellen, da in vivo die Tumorrevolution ständig fortschreite. Um mit den Veränderungen des Tumors immunologisch Schritt zu halten, sei es erforderlic...

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