Verfahrensgang
SG Berlin (Urteil vom 29.05.2002; Aktenzeichen S 62 AL 2672/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2002 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger in Anbetracht seines Vermögens Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 12. Januar 2001 bis 17. Mai 2001 hat.
Der 1960 geborene Kläger war vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1999 als Referent bei der Bundesanstalt für vtätig. Er erhielt für die Betriebszugehörigkeit eine Abfindung von 26.361,-- DM und bezog von der Beklagten bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 11. Januar 2001 Arbeitslosengeld (Alg), zuletzt auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 1.680,-- DM nach Leistungsgruppe C/0. Das gegen den Arbeitgeber angestrengte Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin blieb ohne Erfolg. Mit Wirkung zum 12. Januar 2001 beantragte der Kläger, der von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebt, die Gewährung von Anschluss-Alhi (Antrag vom 29. März 2001). Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung erklärte er sich zu seinem Vermögen wie folgt:
Bankguthaben (Girokonto) in Höhe von 2.669,06 DM sowie 2 Sparbücher mit Guthaben von 23,41 DM und 18,04 DM;
Wertpapierguthaben in Höhe von insgesamt 44.459,34 DM (50 Aktien der Commerzbank zum Kurswert von 1.647,79 DM/Umrechnungskurs 16,85 Euro, 62 Aktien der Deutschen Telekom AG zum Kurswert von 3.225,55 DM/Umrechnungskurs 26,06 Euro und 400 Aktien der Daimler Chrysler AG zum Kurswert von 39.586,00 DM/Umrechnungskurs 50,60 Euro laut Depot-Bestandsübersicht der Commerzbank zum 29. März 2001).
Zum Zweck dieses Vermögens gab der Kläger an (Erklärung vom 28. März 2001): Im Zusammenhang mit dem Eintritt der Arbeitslosigkeit habe er sich bereits vor Jahresfrist mit dem Gedanken getragen, seine Ersparnisse für den (Teil-)Erwerb einer eigengenutzten Wohnungsimmobilie zu verwenden; auch und gerade um die Lebenshaltungskosten mittel- bis langfristig zu senken. Er habe bereits mehrere Objekte besichtigt und allmählich klare Vorstellungen entwickelt gehabt. Wie viele andere habe er aber zunächst am Aktienboom teilhaben wollen mit dem Ziel, die Finanzierung der Immobilie danach zu erleichtern. Seine Erwartungen seien allerdings herb enttäuscht worden. Die stark gefallenen Kurse hätten ihn bislang davon abgehalten, die Papiere wieder zu veräußern und damit horrende Verluste zu realisieren. Als durch gefallene Kurse bereits abgestrafter Marktteilnehmer, aber auch als dann ja verhinderter Wohnungseigentümer müsse er eine Verpflichtung, seine Papiere zu verwerten, als Ungleichbehandlung gegenüber Wohnungseigentum besitzenden Leistungsempfängern und insofern als unbillige Härte empfinden.
Durch Bescheid vom 5. April 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alhi ab. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von 18.000,-- DM verbleibe ein Betrag von 29.169,85 DM. Dieser Betrag müsse bei der Prüfung der Bedürftigkeit berücksichtigt werden. Bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (1.540,-- DM), ergebe sich, dass es für einen Zeitraum von 18 Wochen (d.h.: bis zum 17. Mai 2001) an der Bedürftigkeit fehle.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Eigentümer einer Immobilie Alhi erhalten könne und andererseits derjenige, der Aktien zum Zwecke der Alterssicherung spare, bestraft werde, und dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade Aktien – bzw. Aktienfondsparen – von öffentlichen Institutionen als Methode der privaten Altersvorsorge angepriesen werde.
Ab 24. Mai 2001 bezog der Kläger nach erneuter Antragstellung wieder Alhi.
Durch Bescheid vom 3. Juli 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das bei dem Kläger vorhandene Vermögen gemäß § 6 Abs. 4 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung -AlhiVO- nicht privilegiert sei, denn es liege kein Vermögen zur Alterssicherung vor. Der Widerspruchsführer mache geltend, dass er gegenüber Immobilienbesitzern benachteiligt sei. Es sei nicht der Fall, dass Immobilien grundsätzlich nicht angerechnet würden. Die Immobilie müsse u.a. selbst genutzt werden und eine angemessene Größe zum Familienstand haben.
Auf die hiergegen gerichtete Klage, zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt hat, hat das Sozialgericht durch Urteil vom 29. Mai 2002 den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2001 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger seit 12. Januar 2001 Alhi zu gewähren. In den Gründen heißt es dazu: Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Gewährung von Alhi, denn die Verwertung des Vermögens sei unzumutbar, so dass Bedürft...