Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Minderung der Rentenanwartschaften des Berechtigten durch Abänderungsentscheidung. Besitzschutz. Erstattung der Aufwendungen durch den Versorgungsträger
Orientierungssatz
Wird durch eine Entscheidung nach § 10a Abs 1 VersorgAusglHärteG, eine ursprünglich begründete Rentenanwartschaft des Berechtigten gemindert, so ist dem Berechtigten als Rentenbezieher durch analoge Anwendung des § 83a Abs 4 S 2 AVG bzw § 1304a Abs 4 S 2 RVO Besitzschutz zu gewähren, mit der Folge, daß der Träger der Versorgungslast die entsprechenden Aufwendungen gemäß § 83b Abs 2 S 2 AVG bzw § 1304b Abs 2 S 2 RVO dem Rentenversicherungsträger zu erstatten hat.
Tatbestand
Streitig ist ein von der Klägerin für die Zeit vom 1. Juni 1987 bis zum 31. Dezember 1995 in Höhe von 12.560,42 DM behaupteter Ersatzanspruch aufgrund einer durch Quasi-Splittung begründeten Rentenanwartschaft.
Durch das am 6. November 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts-Familiengericht- Waiblingen vom 5. Oktober 1979 (rechtskräftig seit dem 7. März 1980) wurde die Ehe des (W) und der (H) geschieden. Zugleich wurden zu Lasten der für W bei der Oberpostdirektion Stuttgart (OPD) bestehenden Versorgungsanwartschaften auf dem Versicherungskonto der H Rentenanwartschaften in Höhe von 274,56 DM begründet. Die jetzige Beklagte ist an die Stelle der OPD getreten.
Die Klägerin gewährt H seit dem 9. Oktober 1986 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und stellte die Rente mit Bescheid vom 2. Dezember 1988 neu fest, ohne daß sich eine Änderung des Zahlbetrages ergab. Darin berücksichtigte sie die o.a. Rentenanwartschaft.
Durch Beschluß vom 11. Oktober 1988 änderte das Amtsgericht-Familiengericht- Waiblingen auf Antrag des W vom 6. Mai 1987 das Urteil mit Wirkung vom 1. Juni 1987 an dahingehend, daß zu Lasten der Versorgungsanwartschaft des W auf dem Versicherungskonto der H nur noch Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 200,36 DM begründet wurden.
Die Mitteilung über die Rechtskraft der Entscheidung ging bei der Klägerin am 5. Dezember 1988 ein; die Entscheidung selber war bereits am 19. Oktober 1988 eingegangen.
Am 9. Januar 1989 bat die Klägerin die OPD um Mitteilung, ob dem W eine Versorgung gewährt werde, da anderenfalls die "Besitzschutzregelung des § 83 a Abs. 4 Satz 2" Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) anzuwenden sei, wonach der Ausgleichsberechtigten die Rente in bisheriger Höhe mit entsprechender Erstattungsfolge weiterzuzahlen sei. Die OPD vertrat demgegenüber die Auffassung, schon vor dem bei W noch nicht eingetretenen oder in Aussicht stehenden Versorgungsfall nur zur Erstattung aus der herabgesetzten Rentenanwartschaft verpflichtet zu sein. Der Schriftwechsel dazu zog sich bis September 1991 hin.
Mit der am 26. Februar 1992 bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin schließlich einen Erstattungsanspruch in Höhe von 10.889,01 DM für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 geltend. Die Beklagte sei nicht berechtigt, ihre Erstattungsforderungen entsprechend der Minderung der begründeten Rentenanwartschaften zu kürzen. Nach § 83 a Abs. 4 Satz 2 AVG sei die Rente des Ausgleichspflichtigen erst dann aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzen, wenn entweder für ihn eine Rente aus einem späteren Versicherungsfall oder aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten eine Rente zu zahlen sei. Die Gründe des sogenannten Rentnerprivilegs, nämlich der Grundsatz des Besitzschutzes und die fehlende Möglichkeit des Ausgleichspflichtigen, die Minderung seiner Rente ganz oder teilweise durch die Entrichtung von Beiträgen auszugleichen, würden auch für den Ausgleichsberechtigten gelten, wenn der Ausgleichsbetrag gekürzt werde. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der durch § 101 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) VI klargestellt habe, daß der Besitzschutz auch für den Ausgleichsberechtigten gelte.
Das SG wies die Klage durch Urteil vom 29. November 1995 ab. Die Vorschrift des § 83 a Abs. 4 Satz 2 AVG gelte nur zugunsten des ausgleichsverpflichteten Versicherten und nicht zugunsten des ausgleichsberechtigten Versicherten. Die Frage, ob die Vorschrift zugunsten des ausgleichsberechtigten Versicherten Anwendung finden dürfe, könne im Grunde dahinstehen. Die Vorschrift gelange nur dann zur Anwendung, wenn der Ausgleichspflichtige zu dem Personenkreis der Versicherten gehöre. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da der ausgleichspflichtige W als Beamter kein Versicherter im Sinne des Gesetzes sei. Allerdings habe die Kammer übersehen, daß die Beklagte auch für einen Zeitraum die Erstattung ablehne, in dem die Rechtskraft der Abänderungsentscheidung vom 11. Oktober 1988 der Klägerin noch nicht bekannt gewesen sei. Auch hier könne sich der Rentenversicherungsträger darauf berufen, bis zum Ablauf des Monats, in dem er von dem Eintritt der Rechtskraft der Abänderungsentscheidung Kenntnis erlange, mit Rechtsgrund geleistet zu haben, und Erstattung verlangen. Die insoweit "erweiternde" Auslegung der Vorschrift...