Entscheidungsstichwort (Thema)

Auferlegung von Mutwillenskosten. Zuständigkeit des Berufungsgerichts. Einheitlichkeit der Kostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Auferlegung von Kosten nach § 192 SGG wegen mutwilligen Verhaltens im erstinstanzlichen Verfahren ist das Berufungsgericht zuständig, falls die Klage im Berufungsverfahren zurückgenommen wird. Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung.

 

Tatbestand

Das Verfahren betrifft die Beschwerde des Klägers gegen einen Beschluß, mit dem das Sozialgericht (SG) nach in der Berufungsinstanz erklärter Klagerücknahme -- wie bereits in dem vorangegangenen Urteil -- Kosten wegen mutwilliger Prozeßführung nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Höhe von DM 500,00 auferlegt hat.

Im Hauptsacheverfahren (S 8 RA 79/00) hatte der Kläger geltend gemacht, die bei ihm im Wege der Neufeststellung berücksichtigten Kindererziehungszeiten müßten sich noch stärker rentenerhöhend auswirken. Es sei nicht einzusehen, daß sich Kindererziehungszeiten bei Versicherten, die keine oder nur geringe Pflichtbeiträge erzielt hätten, höher auswirkten als in seinem Falle. In ihrem Widerspruchsbescheid vom 22. März 2000 legte die Beklagte demgegenüber dar, die wegen der Kindererziehung zu berücksichtigenden Pflichtbeiträge seien zu den bereits aufgrund einer Beschäftigung entrichteten Pflichtbeiträge hinzugezählt worden, allerdings nur maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze.

Mit Hinweisschreiben vom 11. September 2000 und 12. Dezember 2000 hat das SG dem Kläger mitgeteilt, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sei hier nicht erkennbar; wenn hiergegen keine Einwände erhoben würden, möge er die Klage zurücknehmen, anderenfalls sei die Auferlegung von Mutwillenskosten gerechtfertigt. Auch im Verhandlungstermin vom 1. Februar 2001, bei dem der Kläger mit seinem Prozeßbevollmächtigten zugegen war, ist der Kläger auf die Möglichkeit der Auferlegung von Mutwillenskosten hingewiesen worden. Mit dem klageabweisenden Urteil vom gleichen Tage ist der Kläger verpflichtet worden, DM 500,00 Gerichtskosten an die Staatskasse zu bezahlen. Zur Begründung dieser Kostenentscheidung hat das SG ausgeführt, der Kläger und dessen Prozeßbevollmächtigte seien trotz der ausführlichen Darlegungen der Beklagten und der Hinweisschreiben des Gerichts bei der mündlichen Verhandlung über die maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht ausreichend unterrichtet gewesen. Auch nach umfassender Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin sei der Rechtsstreit ohne jedes Sachargument fortgesetzt worden, was eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichts darstelle.

Gegen das Urteil des SG Bremen hat der Kläger am 20. März 2001 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Bremen eingelegt und in der Sache beantragt, "Kindererziehungszeiten vollständig anzuerkennen". Gleichzeitig ist mit der Begründung, die Rechtsauffassung der Beklagten werde geteilt, die Klage zurückgenommen worden.

Nach vorherigem Hinweisschreiben vom 7. Mai 2001 hat das SG am 8. Juni 2001 beschlossen, daß der Kläger DM 500,00 Gerichtskosten an die Staatskasse zu zahlen habe. Das SG hat die Auffassung vertreten, es sei an einer von Amts wegen zu treffenden Entscheidung über die Kosten erster Instanz durch die im Berufungsverfahren erklärte Klagerücknahme nicht gehindert. Das erstinstanzliche Urteil werde auch hinsichtlich des Kostenausspruchs hinfällig. Da in den Regelungen der §§ 192, 193 Abs. 1 SGG von "dem Gericht" die Rede sei, sei das für eine Kostenentscheidung nach § 192 SGG zuständige Gericht dasjenige Gericht, dem durch eine mutwillige Prozeßführung Kosten entstanden seien. Dieser Auslegung stehe nicht der Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung entgegen. Dieser Grundsatz gelte nur für die regelmäßigen Verfahrenskosten nach § 193 SGG. Die entgegenstehende Auffassung hätte die unerwünschte Konsequenz, daß ein mutwilliger Kläger der Auferlegung von Kosten durch eine Berufungseinlegung und anschließende Klagerücknahme entgehe, obgleich er zusätzlich noch rechtsmißbräuchlich das Berufungsgericht in Anspruch genommen habe.

Gegen diesen Beschluß hat der Kläger am 5. Juli 2001 Beschwerde eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, Kosten im Sinne von § 192 SGG könnten einem Beteiligten nur durch Urteil auferlegt werden, jedenfalls, wenn es um Kosten der Beteiligten gehe. Darüber hinaus sei es aber auch sehr zweifelhaft, ob hier von Mutwilligkeit ausgegangen werden könne. In der zweite Hälfte des Jahres 2000 seien durch die Prozeßbevollmächtigten eine übergroße Zahl von Verfahren zu bearbeiten gewesen, dabei auch vordringlichere als die des Klägers. Bis zur mündlichen Verhandlung habe keine Möglichkeit bestanden, den Sachverhalt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und mit dem Kläger dann ein klärendes Gespräch zu führen. Es habe daher kein Handeln wider bessere Einsicht vorgelegen. Allerdings sei der bei der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter des Klägers zu der Auffassung gelangt, daß weder verfassun...

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