Entscheidungsstichwort (Thema)

Halbwaisenrentenanspruch. Berufsausbildung. Auslandslandspraktikum als Fremdsprachenassistentin im Rahmen eines Lehramtsstudiums

 

Orientierungssatz

Die Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin im Ausland im Rahmen eines Lehramtsstudiums in den Fächern Englisch und Deutsch stellt eine Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB 6 dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.08.2000; Aktenzeichen B 4 RA 5/00 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin bereits von Januar bis Mai 1998 Anspruch auf eine Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hatte.

Die ... 1974 geborene Klägerin ist die Tochter des ... 1997 verstorbenen Versicherten H K. Im Wintersemester 1994/1995 begann sie an der Universität B ein Lehramtsstudium in den Fächern Englisch und Deutsch als Fremdsprache. In der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 war sie vom Studium beurlaubt. Während der Beurlaubung war sie in der Zeit vom 1. Oktober 1997 bis zum 31. Mai 1998 als Fremdsprachenassistentin an einer weiterführenden Schule in D/Republik Irland tätig, wo sie in verschiedenen Klassen im Rahmen des Deutschunterrichts eingesetzt war. Die vorgesehene Mitwirkung am Unterricht betrug zwölf Zeitstunden, was bei einer Unterrichtsstunde von 40 Minuten 18 Unterrichtsstunden entspricht. Tatsächlich war sie wöchentlich von montags bis donnerstags für 23 Unterrichtsstunden eingesetzt, davon vier Unterrichtsstunden freiwillig. Sie erhielt von der irischen Schulverwaltung während der achtmonatigen Tätigkeit einen sozialversicherungs- und steuerfreien Unterhaltszuschuß von 3.794 Pfund (ca. DM 8.000).

Die Klägerin stellte am 8. Juni 1998 einen Antrag auf Halbwaisenrente bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 3. August 1998 bewilligte diese Halbwaisenrente in Höhe von DM 429,55 monatlich für die Zeit von Oktober 1998 bis März 1999.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, ihr stehe die Rente bereits ab Januar 1998 zu. Die Tätigkeit in Irland, neben der keine weitere Ausbildung absolviert worden sei, stelle ein Praktikum im Rahmen ihres Lehramtsstudiums dar. Die Klägerin reichte während des Widerspruchsverfahrens etliche Unterlagen ein, darunter Empfehlungsschreiben des Fachbereichs 10 der Universität B vom 8. Dezember 1996 und 27. Dezember 1996 und eine Bescheinigung des irischen Erziehungsministeriums vom 19. Mai 1998.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1998 mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe in Irland keine Schul- oder Berufsausbildung absolviert, die Zeit und Arbeitskraft zumindest überwiegend in Anspruch genommen habe. Die Tätigkeit als Assistentin stelle keine Ausbildung dar, auch wenn ein Auslandsaufenthalt ein vorgeschriebener oder empfohlener Teil eines Ausbildungsganges sei und für das Ausbildungsziel als nützlich angesehen werde. Es handele sich vielmehr vorwiegend um eine eigenverantwortliche berufliche Tätigkeit. Die Vergütung sei danach bemessen, den Lebensunterhalt sicherzustellen. Neben dieser Tätigkeit sei keine schulisch-theoretische Ausbildung mit einem wöchentlichen Aufwand von mehr als 20 Stunden absolviert worden. Für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 1998 sei nicht nachgewiesen worden, daß eine Schul- oder Berufsausbildung stattgefunden habe.

Die Klägerin hat am 6. November 1998 Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen erhoben, mit der sie für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 1998 ihren Anspruch auf Halbwaisenrente weiterverfolgt hat. Sie hat eine Stellungnahme des Priv. Doz. Dr. W vom Fachbereich 10 -- Sprach- und Literaturwissenschaften -- der Universität B vom 26. Oktober 1998, ein Merkblatt "Das Assistentenjahr in der Republik Irland", ihren Stundenplan während der Assistententätigkeit sowie Bescheinigungen der Schule vom 13. November 1997 und 25. Mai 1998 über ihre Beschäftigung als Fremdsprachenassistentin vorgelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ein Auslandsaufenthalt gehöre zu den Prüfungsvoraussetzungen für das Fach Englisch. Sie sei nicht eigenverantwortlich berufstätig gewesen, sondern von Lehrpersonen angeleitet worden. Sie habe mit Gruppen von Schülern fremdsprachliche Übungen und fremdsprachlichen Unterricht durchgeführt. Zu den 18 Unterrichtsstunden seien pro Tag noch zwei bis drei Stunden für Vor- und Nachbereitung hinzugekommen. Die übrige ihr verbleibende Zeit habe sie für private Studien benutzt. Der gezahlte Unterhaltszuschuß habe für ihren Lebensunterhalt nicht vollständig ausgereicht.

Die Beklagte hat zur Erwiderung auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, eine Praktikantentätigkeit begründe keinen Anspruch auf Waisenrente, wenn ein volles Arbeitsentgelt erzielt werde.

Das SG hat mit Urteil vom 4. März 1999 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 1. Januar bis 31. Mai 1998 Halbwaisenrente zu zahlen. Das Gericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, u.a. beim Beruf eines Fremdsprachenlehrers sei eine umfassende...

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