Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Beurteilungsspielraum. Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs. gerichtliche Nachprüfung. Erweiterung eines qualifikationsabhängigen Zusatzbudgets. erhöhte Beratungsleistungen bei kleiner Fallzahl. keine Erweiterung des Praxisbudgets
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" im Einzelfall erfüllt sind, steht der Kassenärztlichen Vereinigung ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum nicht zu.
2. Angesichts der auf spezielle Leistungen in einem bestimmten Behandlungsbereich zugeschnittenen qualifikationsabhängigen Zusatzbudgets besteht nur noch unter ganz besonders gelagerten Voraussetzungen eine Notwendigkeit für deren Erweiterung zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs.
3. Indizien für eine Spezialisierung sind ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der im qualifikationsgebundenen Zusatzbudget enthaltenen Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot beziehungsweise in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung.
4. Die Erweiterung von Zusatzbudgets bezieht sich allein auf die Verschiebungen, die im Zeitablauf innerhalb dieses Budgets eingetreten sind.
5. Die Erbringung erhöhter Beratungsleistungen begründet bei kleiner Fallzahl nicht zwingend eine untypische Praxisausrichtung (vgl BSG vom 16.5.2001 - B 6 KA 69/00 R).
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erweiterung des Praxisbudgets in Bezug auf Gesprächsleistungen nach den Gebührennummern 10, 11, 18 sowie die Erweiterung des qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets für Psychosomatik (Gebührennummern 850, 851).
Die Klägerin war als Ärztin für Allgemeinmedizin in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie verfügte über diverse Zusatzqualifikationen, unter anderem für Naturheilverfahren, Neuraltherapie, Psychotherapie, Hypnose. Im Quartal III/1997 rechnete sie 75 budgetrelevante Fälle, im Quartal IV/1997 92 budgetrelevante Fälle, im Quartal I/1998 102 budgetrelevante Fälle und im Quartal II/1998 95 budgetrelevante Fälle bei durchschnittlich 900 budgetrelevanten Fällen der Fachgruppe ab. Ihr Überweisungsanteil betrug in den Quartalen I/1996 und II/1996 0,91 % gegenüber 1,05 % der Fachgruppe. In den Quartalen III/1996 bis I/1998 betrug der Überweisungsanteil durchschnittlich 0,7 % gegenüber 1,06 % der Fachgruppe. In den Quartalen I/1996 und II/1996 betrug der Anteil der Leistungsanforderung der Gebührennummer 851 an der Gesamtleistungsanforderung 4,16 % beziehungsweise 4,12 %. In den Quartalen III/1996 bis I/1998 betrug dieser Anteil 3,77 %, 3,98 %, 2,92 %, 2,60 %, 17,24 %, 11,48 % und 9,64 %. Der Anteil der Leistungsanforderungen der Gebührennummer 850 an der Gesamtleistungsanforderung betrug von Quartal I/96 bis I/98 höchstens 2 % (Quartal II/97), der Gebührennummer 855 0 % bis zum Quartal III/97, im Quartal IV/97 dann 4,32 % und im Quartal I/98 5,74 %. Die Leistungsanforderungen der Gebührennummern 10, 11, 17 und 18 an der Gesamtleistung betrug in den Quartalen I/1996 und II/1996 58,26 % beziehungsweise 58,18 %. In den Folgequartalen III/1996 bis I/1998 betrug dieser Wert 20,58 %, 11,30 %, 12,24 %, 11,67 %, 24,79 %, 36,16 % und 26,26 %. In den Quartalen II/1998 bis IV/2002 hatte die Klägerin nur in den Quartalen III/1999, IV/1999 und IV/2001 jeweils einen Überweisungsfall.
Mit am 14. Februar 1997 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin die Erweiterung des Praxisbudgets hinsichtlich der Gebührennummern 10, 11, 18 und mit einem weiteren Schreiben vom 12. Februar 1997 die Zuerkennung und Budgeterweiterung hinsichtlich eines Zusatzbudgets.
Mit Bescheid vom 03. Juni 1997 erkannte die Beklagte der Klägerin das Zusatzbudget Psychosomatik (Gebührennummern 850, 851) zu und lehnte mit weiterem Bescheid vom 03. Juni 1997 den Antrag auf Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets ab. Nach Abschnitt A I B.4.3 EBM könne sie auf Antrag des Arztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren. Das Budget könne unter Bezugnahme auf die ergänzende Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets vom 01. Juli 1997 (Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 7, 14. Februar 1997) insbesondere dann ausgesetzt oder erweitert werden, wenn bestimmte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeiten darstellten (Betreuung von HIV-Patienten, onkologische Erkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose, Schmerztherapie - Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung -, kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen, erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil). Die Prüfung des Antrages habe ergeben, dass keiner dieser Schw...