Verfahrensgang

SG für das Saarland (Urteil vom 10.09.1984; Aktenzeichen S 4 U 36/84)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 10. September 1984 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 1984 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Ehemann der Klägerin am 29. Oktober 1983 an den Folgen eines Arbeitsunfalles verstorben ist und die Klägerin demzufolge einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen hat.

Der im Jahre 1929 geborene Ehemann der Klägerin war als Bankkaufmann bei der Volksbank … beschäftigt. Am Unfalltag nahm er an einem von seiner Arbeitgeberin veranstalteten Betriebsausflug nach N. teil. Gegen 17.00 Uhr verließ er die betriebliche Tanzveranstaltung. Um 18.25 Uhr ging er am nördlichen Fahrbahnrand in östlicher Richtung nach R. Unmittelbar vor einem entgegenkommenden PKW trat der Ehemann der Klägerin auf die Fahrbahn. Er wurde von diesem Fahrzeug, das die dort vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um etwa 20 km/h überschritt, etwa 1 m vom Gehwegrand entfernt auf der Fahrbahn erfaßt und 15 m weit geschleudert. Er verstarb an der Unfallstelle.

Die Obduktion des Ehemannes der Klägerin im Institut für Rechtsmedizin der Universität H. ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) nach dem Ferment-Verfahren von 2,02 ‰.

Nach Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Februar 1984 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Ereignisses vom 29. Oktober 1983 ab. Zur Begründung wurde angegeben, auch bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen entfalle der Versicherungsschutz, wenn der Alkoholgenuß die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls bilde. Nach Auswertung der Ermittlungsergebnisse habe der Ehemann der Klägerin den Unfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit allein wegen der Folgen des Alkoholgenusses erlitten. Er habe somit zum Zeitpunkt des Unfalles nicht unter Versicherungsschutz gestanden.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, ihr Ehemann habe keineswegs stark unter Alkoholeinfluß gestanden; er sei allenfalls angeheitert gewesen. Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat durch Urteil vom 10. September 1984 die auf Gewährung von Hinterbliebenenversorgung gerichtete Klage abgewiesen. Das Vordergericht stellt in den Entscheidungsgründen darauf ab, daß der zuvor von dem Verunglückten genossene Alkohol die allein rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall gewesen sei. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. … S., H., sei der Verunglückte zur Zeit des Unfalles und des Todeseintrittes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr fähig gewesen, sich als Fußgänger mit der erforderlichen Aufmerksamkeit und Sicherheit im Verkehr zu bewegen. Dieses Ergebnis finde auch in der Aussage des Zeugen S. im polizeilichen Ermittlungsverfahren Unterstützung, der Verunglückte sei schon beim Aufbau der Geräte stark betrunken gewesen. Später sei er schwankend an die Bühne gekommen und in die Instrumente des Schlagzeugers gefallen. Die Zeugin H. habe bei ihrer polizeilichen Vernehmung bekundet, sie habe den Eindruck gehabt, der Mann, der vor ihrem Fahrzeug die Fahrbahn überqueren wollte, sei betrunken gewesen. Das Gericht habe keine Zweifel, daß es sich bei dieser Person um den Verunglückten gehandelt habe. Auch aus der Aussage des PKW-Fahrers sei zu entnehmen, daß sich der Verunglückte zumindest unkontrolliert im Straßenverkehr verhalten habe. Unter Würdigung des Unfallherganges, wie er sich aus den polizeilichen Ermittlungsakten darstelle, könne nach Auffassung der Kammer nur davon ausgegangen werden, daß die BAK des Verunglückten die allein rechtlich wesentliche Ursache für den späteren Unfall gewesen sei.

Gegen das am 24. Oktober 1984 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 12. November 1984 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung begehrt.

Die Klägerin wendet sich gegen die vom SG vorgenommene Bewertung des Verhaltens ihres verunglückten Ehemannes. Ihrer Auffassung nach sei der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht dadurch beseitigt worden, daß ihr Ehemann Alkohol genossen und den Festsaal wegen eines kurzen Spazierganges verlassen habe. Zur Frage, ob der Alkoholgenuß als allein wesentliche Ursache des Unfalles anzusehen sei, habe das SG nach ihrer Ansicht keine entsprechende Feststellungen getroffen und damit seine Aufklärungspflicht verletzt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 29. Oktober 1983, an dessen Folgen Herr Günter Zintel verstorben ist, als Arbeitsunfall anzuerkennen und der Klägerin als der Hint...

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