Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 03.09.1999; Aktenzeichen S 24 SB 72/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 3. September 1999 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger das Merkzeichen „aG” (außergewöhnliche Gehbehinderung) für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen zuzuerkennen ist.
Das frühere Versorgungsamt Saarland hatte bei dem im Jahre … geborenen Kläger mit Bescheid vom 18. Juli 1989 die Behinderungsleiden mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 bewertet und das ihm bereits früher zuerkannte gesundheitliche Merkzeichen „G” (erhebliche Gehbehinderung) bestätigt; das Merkzeichen „aG” war – wie schon zuvor (Bescheid vom 4. Januar 1984) – abgelehnt worden. Die Bezeichnung der Behinderungen wurde wie folgt formuliert:
„Künstliches Hüftgelenk rechts und Hüftarthrose links, Arthrose des linken Großzehengrundgelenkes.”
Der Bescheid vom 18. Juli 1989 war nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1989 verbindlich geworden.
Am 15. Juni 1998 machte der Kläger eine Verschlimmerung seiner Behinderungen sowie erneut die Zuerkennung des Merkzeichens „aG” geltend. Nach Einholung eines Befundberichtes vom Arzt für Orthopädie …, gab Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 1998 dem Verschlimmerungsantrag insoweit statt, als der GdB ab Antragstellung auf 80 erhöht wurde. Die Anerkennung des Merkzeichens „aG” wurde dagegen mit der Begründung abgelehnt, daß der Kläger ohne große Anstrengung oder fremde Hilfe außerhalb eines Kraftfahrzeugs kurze Wegstrecken zurücklegen könne.
Mit dem Widerspruch schränkte der Kläger sein Begehren auf die Zuerkennung des Merkzeichens „aG” ein. Insoweit trug er vor, er könne sich außerhalb seines Kraftfahrzeugs nur mit großer Kraftanstrengung bewegen. Im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit sei er dringend darauf angewiesen, einen Parkplatz möglichst nahe an seinem jeweiligen Einsatzort aufsuchen zu können.
Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1999 als unbegründet zurückgewiesen. In den Gründen wurde ausgeführt, eine so schwere Bewegungseinschränkung, daß der Kläger mit einem Rollstuhlfahrer oder Doppeloberschenkelamputierten vergleichbar wäre, habe nicht festgestellt werden können. Beruflich bedingte Erschwernisse könnten im Rahmen der Gewährung des Merkzeichens „aG” keine Berücksichtigung finden.
Im Klageverfahren hat der Kläger darauf hingewiesen, daß die vom Beklagten aufgezeigten Verletzungsbilder, wie sie für eine außergewöhnliche Gehbehinderung gefordert werden, nur beispielhaft und nicht abschließend seien. Wegen der Schwere seines Leidens könne er sich nur unter erheblichen Schmerzen außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen. Da die „Gehstrecke” bei rund 300 Metern liege, sei er dringend auf einen jeweiligen ortsnahen Parkplatz angewiesen.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat ein fachorthopädisches Gutachten …, eingeholt, der das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung beim Kläger bejaht hat. Im Hinblick darauf, daß der ärztliche Dienst des beklagten Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung die Auffassung vertreten hat, daß weder eine Vergleichbarkeit mit Rollstuhlfahrern gegeben noch der Nachweis des ständigen Erfordernisses einer Hilfsperson geführt sei, hat das SG eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme von … veranlaßt. Der Sachverständige hat die Meinung vertreten, daß eine schwere, ankylosierende Funktionsbehinderung beim Kläger vorliege, die es rechtfertige, ihn dem Personenkreis zuzuordnen, der sich wegen der Schwere der Erkrankung dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeugs bewegen könne.
Durch Urteil vom 3. September 1999 hat das SG unter Abänderung entgegenstehender Bescheide den Beklagten verurteilt, das Merkzeichen „aG” anzuerkennen. In den Entscheidungsgründen hat sich die Kammer dem Gutachten des Sachverständigen … angeschlossen, der die Zuerkennung des Merkzeichens „aG” befürwortet hat. Nach diesem Gutachten seien folgende orthopädische Diagnosen gestellt worden:
- Zustand nach Hüftprothese rechts. Schwere Coxarthrose links mit starker Bewegungseinschränkung beidseits, hinkendem Hüftgang beidseits. Positiver Trendelenburg rechts.
- Zustand nach Oberschenkelfraktur rechts mit reizloser Narbe.
- Lokales, funktionelles Lumbalsyndrom mit hohlrundem Rücken, teilfixierter Lordose, starker Muskelverkürzung bei Hyperlordose. Funktionsbehinderung der Rumpfbeweglichkeit, ohne radikuläre oder pseudoradikuläre Störungen.
Damit sei der Kläger einem Doppeloberschenkelamputierten oder einem Hüftexartikulierten und einseitig Oberschenkelamputierten gleichzustellen, zumal es sich um eine schwere, ankylosierende Funktionsbehinderung handele. Die Kammer gebe den Ausführungen des Sachverständigen … bei der Beweiswürdigung den Vorzug vor den Einwänden...