Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente. Bewertung der Zeiten der beruflichen Ausbildung durch das WFG. alleinige Tragung des aus der Rente zu bemessenden Pflegeversicherungsbeitrags von dem Rentenbezieher ab 1.4.2004. Rentenabschlag vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unterliegen Rentenabschlägen erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres (Anschluss an BSG v. 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R). Die ab 01.01.1997 geltende Regelung für die Bewertung von Zeiten der beruflichen Ausbildung nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4a, S. 2 SGB 6 ist hinsichtlich Versicherter, die bei Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, nicht verfassungswidrig.
Orientierungssatz
1. Der Vorlagebeschluss des 4. Senats des BSG vom 16.12.1999 - B 4 RA 11/99 R - ist auf einen Bezieher einer Erwerbsminderungsrente, der bei Inkrafttreten des WFG am 1.1.1997 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, nicht anwendbar.
2. § 59 Abs 1 SGB 11 in der seit 1.4.2004 geltenden Fassung ist mit dem GG vereinbar (vgl BSG vom 29.11.2006 - B 12 RJ 4/05 R und BSG vom 29.11.2006 - B 12 R 5/06 R).
3. Der Senat folgt der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG, der in seinem Urteil vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = SozR 4-2600 § 77 Nr 3 - entschieden hat, dass die Praxis der Rentenversicherungsträger, bei einem Recht auf Rente wegen Erwerbsminderung, das bereits vor Vollendung des 60. Lebensjahres entstanden ist, auch für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres durch Bestimmung eines niedrigeren Zugangsfaktors (Rentenabschlag) einen Teil der vom Rentner für die Rentenversicherung erbrachten Vorleistung unbeachtet zu lassen, gesetz- und verfassungswidrig sei.
4. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG Saarbrücken wirkungslos.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 09.06.2006 und die Bescheide der Beklagten vom 16.11.2004 und vom 02.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.04.2005 sowie der weitere Bescheid vom 30.08.2005 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 01.12.2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs ohne Minderung des Zugangsfaktors zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der dieser im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der der Klägerin ab 01.12.2001 gewährten Dauerrente wegen Erwerbsminderung
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nach der seit dem 01.01.1997 geltenden Gesetzeslage die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gem. Abs. 1 S. 1 Nr. 4a und S. 2 SGB VI als beitragsgeminderte Zeiten gelten, |
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die Klägerin ab dem 01.04.2004 den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen muss, |
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ein Rentenabschlag wegen “vorzeitigen Rentenbezugs„ vorzunehmen ist. |
Die Beklagte bewilligte der 1950 geborenen Klägerin durch Bescheid vom 26.11.2004 ab 01.12. 2001 Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung in damaliger monatlicher Höhe von 318,22 €. Durch weiteren Bescheid vom 02.12.2004 verzinste die Beklagte den Nachzahlungsbetrag mit insgesamt 504,14 €.
Die Widersprüche der Klägerin gegen diese Bescheide wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13.04.2005 zurück, wobei der Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.12.2004 als unzulässig zurückgewiesen wurde. In ihrer Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin habe trotz Erinnerung nicht dargelegt, aus welchem Grunde der Bescheid vom 26.11.2004 für fehlerhaft gehalten werde. Somit sei nur eine allgemeine Überprüfung dieses Bescheides möglich gewesen; diese habe keine Beanstandungen ergeben. Mit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.12.2004 sei geltend gemacht worden, der der Zinsberechnung zu Grunde liegende Rentenbescheid vom 26.11.2004 sei nicht rechtskräftig, so dass die Zinsansprüche nicht abschließend berechnet werden könnten. Die sich laut Bescheid vom 26.11.2004 ergebende Nachzahlung sei jedoch mit Bescheid vom 02.12.2004 gemäß § 44 SGB I ordnungsgemäß verzinst worden. Der Widerspruchsführer sei somit in seinen Rechten nicht beschwert.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin Unterlagen über weitere rentenversicherungsrechtliche Zeiten vorgelegt, woraufhin die Beklagte durch Rentenbescheid vom 30.08.2005 unter Berücksichtigung der von der Klägerin nachgewiesenen Zeiten die Rente neu festgestellt hat. Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat, soweit diese nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis erledigt war, die Klage durch Gerichtsbescheid vo...