Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Ausbildungsgeld. Anrechnung von Elterneinkommen. Berücksichtigung der Härtefallregelung des § 25 Abs 6 BAföG

 

Leitsatz (amtlich)

Die Härtefallregelung des § 25 Abs 6 BAföG stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar, der über die Freibeträge des § 126 Abs 2 SGB 3 hinauswirkt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.10.2020; Aktenzeichen B 11 AL 2/20 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 19.2.2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB Ill).

Der 1998 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „H“ (hilflos) sind festgestellt. Der Bruder des Klägers (geb. 1990) ist ebenfalls schwerbehindert mit einem GdB von 60, die Mutter ist schwerbehindert mit einem GdB von 50. Am 3.8.2015 begann der Kläger eine Ausbildung zum „Fachinformatiker Systemintegration“ bei der CJD H. gemeinnützige GmbH (nachfolgend: CJD), die nach dem Berufsausbildungsvertrag vom 3.8.2015 am 2.8.2018 enden sollte.

Für diese Ausbildung beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Ausbildungsgeld. Dem Antrag beigefügt war u.a. der Steuerbescheid der Mutter und deren Ehemannes für das Jahr 2013; der Ehemann ist nicht der Vater des Klägers. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens war ein Überlastungsbetrag von 1.572,00 €, ein Behindertenpauschbetrag in Höhe von 570,00 €, Behindertenpauschbeträge für die Kinder von 5.120,00 € sowie ein Pflegepauschbetrag von 924,00 € berücksichtigt. Nach den Angaben der Mutter zahlte der Vater für den Kläger Unterhalt in Höhe von 115,19 € monatlich.

Mit Bescheid vom 1.9.2015 über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligte die Beklagte dem Kläger monatliche Fahrtkosten in Höhe von 269,00 € und führte weiter aus, dass sich das monatliche Ausbildungsgeld auf 0,00 € belaufe. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe des Ausbildungsgeldes wurde auf die Anlage zum Bescheid verwiesen. Darin wurde beim Kläger ein Bedarf für den Lebensunterhalt von monatlich 316,00 € berücksichtigt, dem anzurechnendes Einkommen des Klägers in Höhe von 115,90 € und anzurechnendes Einkommen der Mutter in Höhe von 791,12 € gegenüberstanden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch Schreiben der Mutter vom 8.9.2015 Widerspruch mit der Begründung ein, nach § 126 SGB Ill werde das Einkommen des Elternteils, bei dem der Behinderte wohne, nicht angerechnet. Da er bei der Mutter wohne, sei deren Einkommen nicht anzurechnen. Falls das Einkommen doch angerechnet werde, seien die Kosten für Krankheit und Zahlungsverpflichtungen für eine Haushaltshilfe wegen Behinderung sowie für eine private Unfall- und Krankenversicherung abzuziehen und es sei zu berücksichtigen, dass die Mutter ihren Ehemann versorge. Mit weiterem Schreiben vom 14.9.2015 führte die Mutter aus, das ihr im Jahr 2013 gewährte Krankengeld sei niedriger als von der Beklagten berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 20.10.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Einreichung der weiteren Einkommenserklärung und Einkommensunterlagen seiner Mutter eine erneute Prüfung des Anspruchs auf Ausbildungsgeld erfolgt sei. Eine Änderung ergebe sich hieraus lediglich bezüglich der Höhe des anzurechnenden Einkommens. Das anzurechnende Einkommen übersteige jedoch weiterhin den Bedarf für den Lebensunterhalt. Ausweislich der Anlage zu diesem Bescheid standen dem Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 316,00 € ein anzurechnendes Einkommen des Klägers in Höhe von 115,90 € und anzurechnendes Einkommen der Mutter in Höhe von 391,69 € gegenüber.

Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch Schreiben der Mutter vom 27.10.2015 Widerspruch ein und machte die Berücksichtigung von Steuerfreibeträgen in Höhe von insgesamt 6.379,00 € geltend. Ferner verlangte er mit weiterem Schreiben vom 2.11.2015 einen Härtefreibetrag bzw. die Anrechnung außergewöhnlicher Belastungen nach § 25 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Mit am 11.1.2016 bei der Beklagten eingegangenem Vordruck stellte der Kläger einen Antrag auf Aktualisierung (§ 24 Abs. 3 BAföG) und legte dazu weitere Unterlagen vor.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 31.3.2016 erneut die Berücksichtigung eines Härtefalls geltend gemacht hatte (insbesondere die Berücksichtigung eines Pauschbetrags für Behinderte von 570,- € für die Mutter, von 3.700,- € für sich selbst, einer Pflegepauschale von 926,- € für sich selbst, von 1.100,73 € für eine steuerlich geförderte Haushaltshilfe für die Mutter und 1.200,- € für außergewöhnliche Belastungen wegen Krankheitskosten), lehnte die Beklagte den Antrag vom 11.1.2016 mit Bescheid vom 6.4.2016 mit der Begründung ab, dass eine...

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