Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Pflegeperson. Behandlungspflege. Hilfeleistung bei erheblicher und gegenwärtiger Gefahr für die Gesundheit des Pflegebedürftigen. Rettungshandlung. Vorbereitungshandlung. kein Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7. Arbeitsunfall. Gefahr

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 13 a SGB 7, wenn die Alarmanlage eine Fehlfunktion der Beatmungsmaschine des Pflegebedürftigen anzeigt und ein sofortiges Absaugen des Schleims aus der Lunge erforderlich ist und die Pflegeperson auf dem Weg zum Pflegebedürftigen stürzt.

 

Orientierungssatz

1. Zum Vorliegen des Unfallversicherungsschutzes gem § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 7, wenn die Pflegeperson auf dem Weg zum Pflegebedürftigen stürzt, weil die Alarmanlage eine Fehlfunktion der Beatmungsmaschine des Pflegebedürftigen anzeigt und ein sofortiges Absaugen des Schleims aus der Lunge erforderlich ist.

2. Ein Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7 bei der so genannten Behandlungspflege kommt nur in Betracht, wenn sie Bestandteil der Hilfe für die so genannten Katalog-Verrichtungen iS von § 14 Abs 4 SGB 11 ist und im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich wird. Ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Verrichtung reicht jedoch nur dann aus, wenn die zeitgleiche Durchführung der krankheitsspezifischen Maßnahme mit der Verrichtung objektiv erforderlich ist (vgl BSG, vom 29.4.1999 - B 3 P 12/98 R = WzS 2000, 158).

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nrn. 9, 13a, 17; SGB XI §§ 14, 19, 44

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 02.01.2004 sowie der Bescheid vom 05.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2002 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 06.05.2001 um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII gehandelt hat.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob es sich bei dem Sturz des Klägers in der Nacht vom 05. auf den 06.05.2001 um einen Arbeitsunfall handelte.

Der 1964 geborene Kläger ist der Vater der 1995 geborenen A.S.. Diese bezieht seit dem 01.07.1999 von der Pflegekasse der Bundesknappschaft Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) nach der Pflegestufe III. Bei ihr wurde ein Morbus Pompe festgestellt, der zu einer progressiven Schwäche der Muskulatur führt. Daraus resultiert die Unfähigkeit, ohne Assistenz zu atmen. Sie ist daher tracheotomiert worden und auf eine ständige assistierte Beatmung angewiesen. Nachts besteht ein regelmäßiger Hilfebedarf in Form von Umlagern, darüber hinaus ein regelmäßiger Hilfebedarf in Form von Absaugen des Schleims aus der Lunge.

Am 17.05.2001 teilte der Kläger der Bundesknappschaft in einem Fragebogen mit, er sei am 07.05.2001 gegen 00.20 Uhr aufgestanden, weil A.S. habe umgelagert werden müssen. Dabei sei er auf der Treppe umgeknickt.

Im Juli 2001 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass der Muskelfaserriss, den er sich bei dem Sturz zugezogen habe, zu einer Lungenembolie geführt habe.

Mit Bescheid vom 05.03.2002 teilte die Beklagte mit, dass das Ereignis vom 05.05.2001 als Arbeitsunfall abgelehnt werde, da der Kläger seine pflegebedürftige Tochter nicht mindestens 14 Stunden wöchentlich pflege. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2002 zurückgewiesen.

Die am 18.07.2002 erhobene Klage hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) mit Gerichtsbescheid vom 02.01.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht als nachgewiesen angesehen werden, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt seine Tochter mindestens 14 Stunden pro Woche gepflegt habe.

Gegen den ihm am 19.01.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.02.2004 Berufung eingelegt.

Er stellt klar, dass sich der Unfall in der Nacht vom 05. auf den 06.05.2001 gegen 00.20 Uhr ereignet habe und trägt weiter vor, dass nachts alle zweieinhalb Stunden eine Umbettung von Anna Susi erforderlich sei und auch bereits mehrfach nachts ein Alarm der Beatmungsmaschine ausgelöst worden sei, was einen sofortigen Einsatz der Eltern erfordere. So sei es auch in der Unfallnacht gewesen. Er sei dadurch wach geworden, dass das Alarmgerät der Beatmungsmaschine angesprungen sei. Da er einen Notfall vermutet habe, sei er aus dem Bett gesprungen und die Treppe zum Schlafzimmer der Tochter hinunter gelaufen. Dabei habe er sich die Verletzung zugezogen. Beim Ertönen der Alarmanlage sei noch nicht absehbar gewesen, warum diese ausgelöst worden sei; es habe eine Störung der Anlage selbst oder die Notwendigkeit eines Abpumpens sein können. Tatsächlich habe das Alarmgerät einen Notfall, nämlich die Verstopfung der Kanüle, gemeldet gehabt. Nach seiner Auffassung bestehe Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 9, 13a und 17 SGB VII. Weiterhin hat der Kläger ä...

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