Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie von Hilfe zur Pflege. Aktivlegitimation der Erben des verstorbenen Leistungsberechtigten. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Erbschaft. Erbausschlagung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Rechtsnachfolger sind nicht aktivlegitimiert, um sich gegen einen Verwaltungsakt, mit dem gegenüber dem Verstorbenen Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB XII aufgehoben wurden, gerichtlich zur Wehr zu setzen. Dieser Leistungsanspruch ist höchstpersönlicher Natur und damit der Rechtsnachfolge nicht zugänglich.

2. Eine Erbausschlagung wirkt ex tunc (§ 1953 BGB) und hat zur Folge, dass das ausgeschlagene Erbe dem Leistungsempfänger nicht als sog "bereite Mittel" zur Deckung seiner Bedarfe zur Verfügung steht. Leistungen nach dem SGB XII sind sodann nach dem sog "Tatsächlichkeitsprinzip" (vgl BSG vom 6.12.2018 - B 8 SO 2/17 R = BSGE 127, 85 = SozR 4-3500 § 19 Nr 6) zu gewähren.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 03.02.2017 abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 31.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2012, soweit er den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 23.10.2012 umfasst, aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden den Klägern zu 1/3 und dem Beklagten zu 2/3 auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 4.236,-- Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren vom Beklagten als Rechtsnachfolger Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege für die ambulante Betreuung ihres verstorbenen Bruders P. A. (nachfolgend: Verstorbener) für die Zeit vom 01.09.2012 bis zu dessen Versterben am 23.10.2012.

Mit Bescheid vom 19.12.2011 hatte der Beklagte dem 1964 geborenen, kinderlosen, an Multiple Sklerose und Krebs leidenden Verstorbenen Leistungen der Hilfe zur Pflege, die ambulant durch die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG)  L. S. e.V., in deren von ihm angemieteten Wohnung in S. er seit dem Jahr 2005 lebte, durchgeführt wurde, bewilligt. In der Folge wurden die ambulant im Rahmen des betreuten Wohnens erbrachte Hilfe zur Pflege von der DMSG unmittelbar mit dem Beklagten abzüglich der für den Kläger geleisteten Zahlungen der Pflegekasse nach zuerkannter Pflegestufe II abgerechnet und vom Beklagten nach Prüfung bezahlt.

Mit weiterem Bescheid vom 26.06.2012 hatte der Beklagte dem Verstorbenen die bereits zuvor gewährten laufenden Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII in Gestalt von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab Juli 2012 neu berechnet und in Höhe von 699,64 € monatlich bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes 31.12.2012 bewilligt.

Daneben bezog der Verstorbene eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 221,13 €, eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 88,75 € sowie Eingliederungshilfe für behinderte Menschen vom zuständigen Landesamt für Soziales.

Der Vater des Verstorbenen, H. H. J. A., verstarb seinerseits am 11.04.2012. Nach einem vom Amtsgericht mit Telefax vom 16.08.2012 übersandten Vermögensverzeichnis bestand der Nachlass aus einem Einfamilienhaus in der W.straße ... in A-Stadt, einer Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz in der T.-M.-Str. in A-Stadt sowie einem Sparguthaben in Höhe von 6.349,44 €. Nach dem Vermögensverzeichnis bestand eine Grundschuld in Höhe von 43.000,00 DM (= 21.985,47 €). Die Eigentumswohnung war im Jahr 1995 zusammen mit einem Tiefgaragenstellplatz erworben worden, wobei damals ein Kaufpreis von circa 200.000,00 DM gezahlt worden war. Das Hausanwesen in der W.straße ... war im Jahr 2001 um eine Wohnung für den Verstorbenen erweitert worden, wofür ein Landesbaudarlehen in Höhe von 58.000,00 DM gewährt worden war. Damals war der Wert vor der Baumaßnahme mit circa 300.000,00 DM und danach mit circa 380.000,00 DM angegeben worden.

Ausweislich eines Erbvertrages seiner Eltern vom 26.01.1988, Urkunden-Nr. 181/88 des Notars Ab. in A-Stadt, war der Verstorbene als Miterbe nach dem Längstlebenden der Eltern neben seinen Geschwistern und St. A. (den Klägern) sowie B. F., geborene A. - ihrerseits im Jahr 2003 verstorben - eingesetzt worden, wobei seine Mutter, Si. A. geborene Bö., am 13.01.2005 verstorben ist. Gegenüber dem Amtsgericht A-Stadt schlug der Verstorbene sodann mit notarieller Urkunde vom 14.05.2012 bezogen auf die Nachlasssache seines Vaters die angefallene Erbschaft aus allen Berufungsgründen aus.

Der Beklagte hörte den Verstorbenen sodann mit Schreiben vom 17.08.2012 dahingehend an, dass mit dem Eintritt des Erbfalls er neben seinen Brüdern erbberechtigt gewesen sei, er jedoch die Erbschaft ausgeschlagen und somit freiwillig auf Einkommen bzw. Vermögen verzichtet habe, obwo...

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