Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherter. Wahl von Kostenerstattung an Stelle von Sachleistung. Umfang der Beratungspflicht durch Krankenkasse. Nichtberücksichtigung der sogenannten Apotheken- und Herstellerrabatte bei Erstattung von Arzneimitteln
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Umfang der Beratungspflicht der Krankenkassen gegenüber Versicherten, die an Stelle des Sachleistungsprinzips die Kostenerstattung wählen, nach § 13 Abs 2 S 2 SGB 5 in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des Gesetzes vom 14.11.2003, BGBI I S 2190.
2. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass eine Krankenkasse einer Versicherten gegenüber, die gemäß § 13 Abs 2 SGB 5 statt der Sachleistung die Kostenerstattung gewählt hat, bei der Erstattung der Kosten für Arzneimittel die sog Apothekenrabatte und Herstellerrabatte nach §§ 130, 130a SGB 5 nicht berücksichtigt; solche Rabatte fallen nur im Bereich des Sachleistungsprinzips an.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 24.4.2006 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 24.4.2006 abgeändert; die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte, bei der sie in der Krankenversicherung der Rentner versichert ist, Anspruch auf eine Kostenerstattung für “Orthomol vision diabet„ sowie auf eine höhere Kostenerstattung für Arzneimittel hat.
Die Klägerin machte zum 1.1.2004 von ihrem Wahlrecht nach § 13 Abs. 2 SGB V Gebrauch und wählte statt der Sach- oder Dienstleistungen die Kostenerstattung. Sie unterzeichnete - wie ihr Ehemann, der die Klägerin vertritt, für sein eigenes Versicherungsverhältnis - unter dem 15.1.2004 eine Erklärung, dass sie vor der Wahl der Kostenerstattung über die Besonderheiten des Abrechnungsverfahrens beraten worden sei und die Erläuterungen verstanden habe. Außerdem erhielten die Klägerin und ihr Ehemann von der Beklagten ein Merkblatt zur Kostenerstattung, in dem sie unter anderem darüber informiert wurden, dass man eine Erstattung in Höhe der Vergütung erhält, die die Beklagte bei Erbringung als Sachleistung auf der Grundlage der Ersatzkassen-Gebührenordnung oder sonstiger Vergütungsvereinbarungen zu tragen hätte. Weiter ist in dem Merkblatt unter anderem aufgeführt, dass auch gesetzlich vorgesehene Rabattierungen, wie zum Beispiel Apothekenrabatt und Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen für Arzneimittel bei der Erstattung berücksichtigt und entsprechend in Abzug gebracht würden. Der genaue Zeitpunkt der Übermittlung des Merkblatts ließ sich nicht klären.
In Umsetzung ihres Wahlrechts reichte die Klägerin bei der Beklagten Anfang des Jahres 2004 erstmals verschiedene Rechnungen vom Januar 2004 in Höhe von insgesamt 770,24 € zur Erstattung ein. Mit einer Mitteilung vom 23.2.2004 gab die Beklagte bekannt, man habe von den Rechnungen einen Kassenanteil von 318,72 € überwiesen. Der Erstattungsbetrag belaufe sich auf 344,56 €; hiervon müsse eine Verwaltungsgebühr von 7,5% in Höhe von 25,84 € abgezogen werden. Einen Betrag in Höhe von 126,69 € für das Mittel Orthomol vision diabet (drei Packungen im Preis von 42,23 € je 30 Stück) aufgrund einer Verordnung von Dr. A. vom 15.1.2004 erstattete sie nicht.
Mit Schreiben vom 5.3.2004 erläuterte die Beklagte ihre Kostenerstattung und führte aus, die Erstattung der Arzneimittel werde um den Apothekenrabatt von 2 € oder 5% des Apothekenverkaufspreises (AVP) und gegebenenfalls den Herstellerrabatt von 11,2% des AVP vermindert und zudem würden die Zuzahlung und eine pauschale Kürzung von 5% des AVP abgezogen. Anschließend werde der Betrag noch um den Abschlag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen in Höhe von 7,5% des Erstattungsbetrags, mindestens 3 €, höchstens 41 € gemindert.
In Vollmacht der Klägerin erhob ihr Ehemann mit Schreiben vom 8.3.2004 Widerspruch gegen die Kostenerstattung. Die Klägerin leide unter einer Makula-Degeneration und es bestehe die Gefahr der Erblindung, wenn sie das Mittel Orthomol nicht erhalte. Sie verstehe die Kürzung um den Apothekenrabatt und den Herstellerrabatt nicht. Sie beziehe sich auf das Merkblatt; von der erheblichen Höhe der Abzüge sei dort keine Rede. Apothekenrabatt und Rabatt der pharmazeutischen Industrie müssten ihr ebenfalls gewährt werden.
Nachdem der medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 12.5.2004 eine Stellungnahme dahingehend abgegeben hatte, Orthomol Vision diabet sei ein diätetisches Lebensmittel, vergleichbar mit Vitaminpräparaten, und stehe nicht in der Liste des Gemeinsamen Bundesausschusses für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die Therapiestandard bei schwerwiegenden Erkrankungen seien, teilte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin am 1.6.2004 mit, Rechtsgrundlagen für die eingeschränkte Ko...