Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliedschaft. Krankenversicherung. Erstattung von Behandlungskosten. Bindungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Krankenkasse kann rechtsmissbräuchlich handeln, wenn sie nach Eintritt des Leistungsfalls in eine rechtliche Prüfung eintritt, um materielle Fehler beim Wechsel der Versicherung aufzudecken und das finanzielle Risiko wieder auf die vorherige Versicherung abzuwälzen.
2. Ist die Mitgliedschaft des Versicherten durch Kündigung wirksam beendet worden, hat dies zur Folge, dass auch seine Leistungsansprüche gegen die bisherige Krankenkasse erloschen sind (§ 19 Abs. 1 SGB V).
3. Das zwischenzeitliche Ausscheiden des Versicherten aus der Pflichtversicherung und sein Eintritt in die Familienversicherung hat für den Ablauf der Bindungsfrist (§ 175 Abs. 4 S. 1 SGB V) keine – weder unterbrechende noch hemmende – Bedeutung.
Normenkette
SGB V § 19 Abs. 1, §§ 173, 175 Abs. 3-4, §§ 186, 190
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 20.06.2005; Aktenzeichen S 23 KR 880/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 20.6.2005 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen. Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Mitgliedschaft des Beigeladenen bei der Beklagten sowie die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung für durch sie – die Klägerin – geleistete Behandlungskosten.
In der Zeit vom 6.2.1982 bis zum 30.9.2001 sowie vom 1.1.2002 bis zum 20.10.2002 war der Beigeladene bei der Beklagten familienversichert. In der dazwischen liegenden Zeit vom 1.10.2001 bis zum 31.12.2001 und anschließend ab 21.10.2002 (vgl. Mitgliedsbescheinigung vom 22.10.2002) bis zum 31.5.2003 bestand jeweils eine Pflichtversicherung für ihn bei der Beklagten.
Der Beigeladene kündigte die Mitgliedschaft bei der Beklagten mit Schreiben vom 5.3.2003 zum “nächstmöglichen Zeitpunkt”. Mit Schreiben vom 14.4.2003 erklärte er gegenüber der Klägerin, er wolle ab 1.6.2003 Mitglied bei ihr werden. Beigefügt war ein auf den 13.3.2003 datiertes Schreiben der Beklagten, das bestätigte, dass der bei ihr seit dem 21.10.2002 bestehende Krankenversicherungsschutz zum 31.5.2003 ende.
Die Klägerin wandte als Versicherungsleistungen für den Beigeladenen in der Zeit seit dem 01.06.2003 insgesamt 48.034,61 € auf: für Krankenhausbehandlung (17.11.2003 bis 28.5.2004), für Krankengeld (31.12.2003 bis 31.8.2004) und für Reha-Maßnahmen (1.6.2004 bis 31.8.2004) 46.308,02 €, für Arzneimittel 1.689,80 € sowie für ärztliche Behandlung 36.79 €.
Anfang des Jahres 2004 kam es bei der Klägerin zu einer Überprüfung der Mitgliedschaft des Beigeladenen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Begründung einer Mitgliedschaft des Beigeladenen zum 1.6.2003 nicht vorgelegen hätten. Hierüber wurden der Beigeladene – mit Schreiben vom 18.3.2004 – und die Beklagte – telefonisch am 23.3.2004 – informiert.
Am 23.3.2004 teilte die Beklagte dem Beigeladenen zunächst mit, die Kündigung, die man am 6.3.2003 erhalten habe, werde zum 30.4.2004 bestätigt. Nachdem die Beklagte den Sachverhalt überprüft hatte, schrieb sie der Klägerin am 14.4.2004, unter Berücksichtigung vorheriger Versicherungszeiten habe der Beigeladene zum Zeitpunkt seiner Kündigung im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin bereits die Bindungsfrist von 18 Monaten erfüllt und die Beendigung der Versicherung zum 31.5.2003 entspreche dem Gesetz. Seit 1.6.2003 sei der Beigeladene Mitglied der Klägerin geworden und Leistungsansprüche seien durch sie zu erfüllen. Es verwundere, dass erst nunmehr die Überprüfung der Voraussetzungen der Mitgliedschaft bei der Klägerin ab 1.6.2003 erfolgt sei. Mit Schreiben vom Folgetag informierte die Beklagte den Beigeladenen über diese Erkenntnisse. Er habe einen Vertrag mit der Klägerin wirksam geschlossen und diese sei zuständige Krankenkasse; das Schreiben vom 23.3.2004 werde aufgehoben. Krankengeld müsse daher durch die Klägerin gezahlt werden. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten sei schon zum 31.5.2003 beendet gewesen.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.7.2004 auf, ihre Sichtweise der Versicherungsverhältnisse zu korrigieren. Die Beklagte lehnte dies durch Schreiben vom 2.8.2004 ab.
Die Klägerin hat hierauf am 5.10.2004 Klage auf Zahlung und Feststellung der Mitgliedschaft des Beigeladenen bei der Beklagten erhoben.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, der Beigeladene sei auch über den 31.5.2003 hinaus Mitglied bei der Beklagten geblieben. Ihm habe zum 1.6.2003 kein Wahlrecht gemäß §§ 173 ff. SGB V zugestanden, denn er habe dieses Wahlrecht bereits am 21.10.2002 zu Gunsten der Beklagten ausgeübt. Dies könne aus dem Wortlaut eines Schreibens der Beklagten vom 22.10.2002 an den Arbeitgeber abgeleitet werden. In diesem Schreiben teile die Beklagte mit, der Beigeladene habe sie “als seine Krankenkas...