Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Saarbrücken vom 18.4.2012 - L 2 KR 24/11, das vollständig dokumentiert ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 22.2.2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Pflicht des beklagten Krankenhausträgers, auf Aufforderung der klagenden Krankenkasse Patientenunterlagen an den medizinischen Dienst des Eisenbahnvermögens (MD) herauszugeben.
Die bei der Klägerin krankenversicherte F. R. (künftig: Patientin) wurde in der Klinik der Beklagten in S. vom 10.6.2006 bis 27.6.2006 stationär (Femurfraktur) behandelt. Die Rechnung der Beklagten vom 6.7.2006 über 7.202,15 € wurde von der Klägerin beglichen. Am 24.9.2010 forderte der MD mit der Bemerkung, bei einer Überprüfung des Behandlungsfalles der Patientin seien Auffälligkeiten bezüglich Kodierung der OPS-Schlüssel festgestellt worden, die Beklagte auf, den Entlassungsbericht, die Pflegedokumentation, die Patientenkurve und den Operationsbericht aus dem stationären Aufenthalt der Patientin einzureichen; das Ergebnis einer Prüfung durch das Bundesversicherungsamt (BVA) sei Anlass für eine Neubetrachtung der Abrechnungsfälle aus 2006 gewesen. Nachdem die Beklagte am 29.9.2010 mitgeteilt hatte, mehr als vier Jahre nach Abschluss des Behandlungsfalles könne von einer zeitnahen Überprüfung keine Rede mehr sein, so dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Verpflichtung zur Übersendung medizinischer Unterlagen bestehe, erinnerte die Klägerin mit Schreiben vom 18.10.2010 die Beklagte daran, dass die Unterlagen nach der Rechtsprechung des BSG einzureichen seien. Landesverträge sähen für die Überprüfung von Behandlungsfällen keine Ausschlussfrist vor und es gelte die vierjährige Verjährungsfrist. Eine Übermittlung der Unterlagen erfolgte nicht.
Die Klägerin hat am 23.11.2010 Stufenklage erhoben auf Herausgabe der Unterlagen an den MD und Zahlung des Rückforderungsbetrags (nebst Zinsen), der sich aus dem Ergebnis der Prüfung ergibt.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Beschleunigungsregelung des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V gelte erst ab 1.4.2007 und noch nicht für den vorliegenden Behandlungsfall. Weitere gesetzliche oder vertragliche Fristen zur Überprüfung einer Abrechnung seien nicht zu erkennen. Sie dürfe die Überprüfung innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist einleiten. Anlass der Überprüfung der Rechnung sei gewesen, dass das Bundesversicherungsamt im Jahr 2006, ihr, der Klägerin, Schwächen beim Erkennen von Codier-Auffälligkeiten nachgewiesen habe. Sie habe unter Berücksichtigung der personellen Ressourcen zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Krankenhausdaten einer nochmaligen Analyse unterzogen.
Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat mit Gerichtsbescheid vom 22.2.2011 die Klage abgewiesen. Im Wesentlichen hat es ausgeführt, erst nach mehr als vier Jahren sei die Rechnung überprüft worden. In den Landesverträgen gebe es zwar keine Regelung über die Einleitung des Überprüfungsverfahrens; die Klägerin sei allerdings verpflichtet und immer verpflichtet gewesen, Überprüfungsverfahren, wenn nicht unverzüglich, so doch zumindest zeitnah einzuleiten. Gemäß § 275 Abs. 1 c SGB V werde eine zeitnahe Prüfung auf sechs Wochen beschränkt. Diese Vorschrift gelte zwar nicht für 2006, denn sie sei erst am 1.4.2007 in Kraft getreten. Nach mehr als 50 Monaten sei eine zeitnahe Überprüfung aber nicht mehr gegeben. Dies habe Vertrauen bei der Beklagten begründet, dass Einwendungen nicht mehr erhoben würden. Außerdem müsse die Beklagte Planungssicherheit haben und die Klägerin trage keine nachvollziehbare Begründung dafür vor, warum erst nach mehreren Jahren überprüft werden solle. Würde man Krankenkassen gestatten, Abrechnungen, die schon akzeptiert und bezahlt worden seien, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist nachzuprüfen und daraus Rückforderungen geltend zu machen, müssten Krankenhäuser in der Haushaltsplanung entsprechende Rücklagen vorsehen. Dies könne wirtschaftlich nicht geleistet werden. Die Kammer verstehe die Rechtsprechung des BSG dahingehend, dass Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben stünden und Einwendungen ausgeschlossen sein könnten, wenn Krankenkassen das Überprüfungsverfahren nicht rechtzeitig einleiteten; außerdem habe das BSG bereits vor Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V ein allgemeines Beschleunigungsgebot für das Überprüfungsverfahren bestätigt und dies folge auch aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Abrechnung so erheblich gegen Abrechnungsgrundsätze und Vorschriften verstoße, dass dies nicht hinnehmbar wäre. Hiervon könne aber nicht ausgegangen werden, denn die Klägerin habe keinerlei konkrete mögliche Einwendungen vorgetragen....