Leitsatz (amtlich)

Erreichbarkeit und damit Verfügbarkeit im Sinne von § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG i.V.m. § 1 der Aufenthalts-Anordnung (hier in der Fassung vom 24. März 1993) ist nicht allein deshalb zu verneinen, wenn unter der vom Arbeitslosen angegebenen Anschrift weder ein mit dem Namen des Arbeitslosen versehener Briefkasten noch ein solches Klingelschild vorhanden ist, sofern sich der Arbeitslose tatsächlich während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm angegebenen Anschrift aufhält und seit Monaten problemlos von der Post auch erreicht wird.

 

Verfahrensgang

SG für das Saarland (Urteil vom 02.05.1996; Aktenzeichen S 13 Ar 117/95)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 02. Mai 1996 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die dem Kläger im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger auch für die Zeit vom 27. Dezember 1994 bis zum 22. Januar 1995 Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Streitig ist hierbei insbesondere, ob der Kläger in dieser Zeit verfügbar war.

Mit einem am 27. Dezember 1994 bei der Beklagten eingegangenen Antrag begehrte der am xxxxx geborene Kläger Arbeitslosengeld. Beschäftigt war er zuvor in der Zeit vom 22. Juli 1991 bis zum 10. Februar 1992 und vom 03. Juni 1992 bis zum 30. November 1992 als Verpacker bei einer Firma xx GmbH & Co KG, L.. Vom 27. Oktober 1993 bis zum 20. Dezember 1994 war er in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert und hat dort für die Zeit vom 20. Februar bis zum 20. Dezember 1994 beitragspflichtige Zeiträume zurückgelegt.

Zur Zeit der Antragstellung war er unter der Anschrift L. Straße 23 in S. wohnhaft, und zwar wohnte er bei einer Frau G.. Einen eigenen Briefkasten und ein eigenes Namensschild hatte er an dem Anwesen nicht. Bei der Beantragung von Arbeitslosengeld gab er diese Anschrift an, wobei in dem von Bediensteten des Arbeitsamtes ausgefüllten und von ihm unterschriebenen Antragsformular die Rubrik „falls in Untermiete, bei wem” unausgefüllt blieb. Ein an den Kläger unter der oben angegebenen Anschrift gerichtetes Schreiben des Arbeitsamtes kam mit dem Vermerk „unbekannt” am 30. Dezember 1994 zurück. Mit Bescheid vom 16. Januar 1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab, da es an der Verfügbarkeit des Klägers für die Arbeitsvermittlung fehle; denn das Arbeitsamt habe ihn unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift nicht erreichen können.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 03. März 1995 zurückgewiesen, da es an der Verfügbarkeit des Klägers gefehlt habe; denn eine postordnungsgemäße Zustellung an den Kläger sei damals nicht möglich gewesen.

Arbeitslosengeld wurde ihm wiederbewilligt mit Bescheid vom 17. Februar 1995 für die Zeit ab 06. Februar 1995, nachdem der Kläger ein Namensschild und einen Briefkasten an seiner Wohnung angebracht hatte. Der Leistungssatz der ihm gewährten Arbeitslosenhilfe betrug wöchentlich 260,40 DM. Zuvor, für die Zeit ab 29. Dezember 1994, erhielt der Kläger laut einer Mitteilung des Sozialamtes der Stadt S. laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes, da eine rechtzeitige Zahlung durch das Arbeitsamt nicht erfolgt sei.

Im Verlauf des Klageverfahrens hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach dem Kläger Arbeitslosengeld bereits ab dem 23. Januar 1995 gewährt wird; der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Der gegen den Ablehnungsbescheid und auf Gewährung von Arbeitslosengeld (zuletzt für die Zeit vom 27. Dezember 1994 bis zum 22. Januar 1995) gerichteten Klage hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) durch Urteil vom 02. Mai 1996 stattgegeben.

Es hat seine Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, daß der Kläger entgegen der im Ablehnungsbescheid gegebenen Begründung der Arbeitsvermittlung sehr wohl zur Verfügung gestanden habe; er habe unstreitig durchgehend im Anwesen L.Straße 23 in S. gewohnt, wie er es auch in seinem Leistungsantrag angegeben habe; persönlich sei er somit unter dieser Anschrift durchgehend erreichbar gewesen; er sei entgegen der Auffassung der Beklagten dort auch postalisch erreichbar gewesen; die postalische Erreichbarkeit des Klägers könne nicht deshalb verneint werden, weil der zuständige Briefträger am 30. Dezember 1994 ein von der Beklagten an den Kläger gerichtetes Schreiben mit dem Vermerk „unbekannt” zurück geschickt habe; Grund für diese Rücksendung sei allein die Tatsache gewesen, daß nach Mitteilung der Post vom 07. Februar 1995 der Kläger zwar in der L.Straße 23 in Untermiete bei Frau G. gewohnt habe, bis dahin aber keine Klingel und keinen Briefkasten mit seinem Namen gekennzeichnet habe; bereits zuvor sei aber am 23. Januar 1995 ein Schreiben des früheren Arbeitgebers des Klägers bei der Beklagten eingegangen, auf dem ersichtlich gewesen sei, daß der Klä...

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