Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfall. Versicherte Tätigkeit. Umweg. Fahrgemeinschaft. Mitfahrer. Eigenwirtschaftliches Interesse

 

Leitsatz (amtlich)

Unternimmt der Fahrer einer Fahrgemeinschaft einen nicht versicherten Umweg, um in Luxemburg billiger zu tanken, besteht für den Mitfahrer kein Unfallversicherungsschutz, wenn der Umweg auch für ihn im eigenwirtschaftlichen Interesse lag und es ihm zudem zumutbar war, den Fahrer zu bitten, ihn vorher zu Hause abzusetzen.

 

Normenkette

SGB VII §§ 2-3, 6, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2b; RVO § 550 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

SG für das Saarland (Gerichtsbescheid vom 08.09.2004)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 08.09.2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung seines Autounfalls vom 28.03.2002 als Arbeitsunfall.

Am 28.03.2002 (Gründonnerstag) verunglückte der Kläger kurz vor P., als er sich als Beifahrer mit seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, der Zeugin U.B., auf dem Nachhauseweg von der Arbeit bei der Firma H. V. GmbH, E., zum Tanken nach Sch./Luxemburg befand. Nach dem Tanken sollte die Weiterfahrt nach Hause nach M. erfolgen. Der Kläger zog sich schwere Verletzungen zu und bezieht mittlerweile Erwerbsunfähigkeitsrente.

Mit Bescheid vom 15.10.2003 teilte der Beklagte mit, dass Ansprüche auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht beständen. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, da das beabsichtigte Auftanken des Fahrzeuges in Luxemburg dem unversicherten privaten Bereich zuzuordnen sei. Da er den Unfall nicht auf dem direkten Weg zwischen Arbeitsstätte und Zielort (Wohnung in M.) erlitten habe, sondern zum Unfallzeitpunkt als privater Kunde (Tanken in Luxemburg) bereits über den Zielort M. hinausgefahren gewesen sei, habe er sich zum Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten Abweg befunden.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, durch das Tanken in Luxemburg käme man auf Einsparungen bis zu 850,– bis 900,– EUR jährlich. Seiner Ehefrau sei eine Bitte um Lohnerhöhung mit der Begründung abgelehnt worden, dass sie ja in Luxemburg tanken könne. Dies zeige ebenfalls, dass hier ein Zusammenhang mit betrieblichen Interessen bestehe. Des Weiteren liege Versicherungsschutz vor, wenn die betreffende Verrichtung sich auf die – körperliche und/oder geistige – Leistungsfähigkeit, die für die versicherte Tätigkeit benötigt werde, in positiver Weise auswirke. Da er und seine Ehefrau ausschließlich in der Kunden-Neuwerbung tätig seien (Provisionsbasis), sei souveränes Auftreten frei von finanziellen Ängsten unverzichtbar. Schließlich sei anzuführen, dass die Grundsätze der Fahrgemeinschaft hier nicht angewandt werden könnten. Er besitze keinen Führerschein und habe sich also in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner damaligen Freundin befunden. Es sei ihm also nicht möglich gewesen, auf die Einhaltung des direkten Weges zu bestehen. Am Unfalltag habe seine jetzige Ehefrau ihm erst während der Rückfahrt mitgeteilt, dass sie zum Tanken durchfahren würde, da sie erst abends informiert worden sei, dass sie samstags arbeiten solle.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger und seine jetzige Frau ausschließlich im Innendienst tätig seien (Call-Center, Telefondienst). Im Außendienst seien beide zum Unfallzeitpunkt nicht tätig gewesen.

Bei einer Besprechung mit einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten bestätigte der Kläger, dass die Call-Agenten im Außendienst nur dann tätig geworden seien, wenn ein Kunde aus der Umgebung einmal unbedingt von dem zuständigen Call-Agenten im Außendienst habe betreut werden wollen. Seine Frau habe vor dem Unfall ca. alle sieben Tage in Luxemburg getankt; so lange habe in etwa eine Tankfüllung ausgereicht. Das Tanken sei meistens mit der Heimfahrt von der Arbeit verbunden gewesen, in der Regel freitags oder, falls sie samstags hätten arbeiten müssen, samstags. Dies hätten sie in der Regel morgens oder am Tag vor dem Tanken ausgemacht. Entweder seien sie zusammen gefahren oder seine jetzige Ehefrau habe ihn abgesetzt, wenn er etwas zu erledigen gehabt habe. In ca. 60 % der Fälle sei er zum Tanken mitgefahren. Er habe sich an den Kosten für die Fahrten zur Arbeit beteiligt und 50,– EUR pro Monat dazugegeben. Als der Vorgesetzte seiner Ehefrau gesagt habe, dass sie Ostersamstags arbeiten müsse, habe er dies nicht mitbekommen und seine Frau habe dies auch zunächst nicht erzählt. Vor der Heimfahrt habe er sich bei seiner Frau nicht erkundigt, ob diese direkt nach Hause fahren wolle. Auf der Heimfahrt sei seine Frau dann an der Ausfahrt M. vorbeigefahren. Auf seine Nachfrage hin habe sie erklärt, sie sei nicht herausgefahren, weil sie samstags arbeiten müsse. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er erfahren, dass seine Frau samstags arbeiten solle und sie nun zum Tanken nach Luxemburg fahren wolle...

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