Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. private Trunkenheitsfahrt eines Berufskraftfahrers. außerordentliche bzw verhaltensbedingte Kündigung. keine Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen oder Vergleiche für die Sozialgerichte
Leitsatz (amtlich)
Für einen Berufskraftfahrer ist das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis Geschäftsgrundlage für die Erfüllung des Arbeitsvertrages. Wird die Fahrerlaubnis aufgrund einer privaten Trunkenheitsfahrt entzogen, muss ein Betroffener auch ohne vorherige Abmahnung mit einer Kündigung rechnen, so dass ein hierzu führendes Verhalten die Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeiführt.
Orientierungssatz
Arbeitsgerichtliche Entscheidungen oder arbeitsgerichtliche Vergleiche entfalten im sozialgerichtlichen Verfahren keine Bindungswirkung. Daher ist unbeachtlich, wenn eine verhaltensbedingte Kündigung vor dem Arbeitsgericht vergleichsweise in eine betriebsbedingte Kündigung umbenannt wird, aber tatsächlich arbeitsvertragswidriges Verhalten vorgelegen hat (vgl BSG vom 3.6.2004 - B 11 AL 70/03 R = SozR 4-4300 § 123 Nr 2 und vom 15.12.2005 - B 7a AL 46/05 R = BSGE 96, 22 = SozR 4-4300 § 144 Nr 12).
Nachgehend
Tenor
1.) Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 16. Dezember 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2.) Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3.) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - (SGB III) aufgrund des Eintritts einer weiteren Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld und damit von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen.
Der Kläger ist 1949 geboren. Er meldete sich am 13. November 2007 mit Wirkung zum 16. November 2007 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Zuvor hatte er vom 01. Juli 2006 bis zum 15. November 2007 als Kraftfahrer bei der Firma (Fa.) V. in St. I. gearbeitet. Dem Kläger war seitens der Fa. V. gekündigt worden, nachdem ihm nach privaten Verkehrsvergehen die Fahrerlaubnis entzogen worden war.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2008 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, dass in der Zeit vom 16. November 2007 bis 07. Februar 2008 eine Sperrzeit eingetreten sei und während dieser Zeit der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe. Er, der Kläger, habe seine Beschäftigung bei der Fa. V. verloren, weil er sich vertragswidrig verhalten habe (Verlust des Führerscheines; zumindest zeitweise). Da davon auszugehen gewesen sei, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht dulde, sei der Verlust des Arbeitsplatzes leicht abzusehen gewesen. Die Sperrzeit dauere 12 Wochen und mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage.
Dieser Bescheid enthielt zudem den Hinweis, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenbeihilfe vollständig erlöschen könne, wenn der Kläger Anlass zum Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet 21 Wochen gegeben habe. Zusammengerechnet würden alle Sperrzeiten, die innerhalb von 12 Monate vor Entstehung, im Zusammenhang mit der Entstehung und nach der Entstehung des Anspruchs auf Leistung eingetreten seien. Diese Sperrzeit werde für das Erlöschen auch dann berücksichtigt, wenn innerhalb von 12 Monaten erneut die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Leistungen erfüllt werde. Über den Eintritt der einzelnen Sperrzeiten müsse ein schriftlicher Bescheid erteilt worden sein (§ 147 Abs. 1 SGB III). Mit weiterem Bescheid vom 10. Januar 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann Arbeitslosengeld ausgehend von einer Gesamtanspruchsdauer von 240 Tagen ab dem 08. Februar 2008 für die Dauer von 156 Tagen bis zum 14. Juli 2008.
Den gegen den Sperrzeitbescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2008 zurück, ohne dass sich ein Klageverfahren anschloss.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2008 wurde die Bewilligung des Arbeitslosengeldes aufgehoben, da der Kläger ab dem 18. Februar 2008 als Kraftfahrer, nunmehr bei der Spedition N., Sa.,, beschäftigt war.
In dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der Fa. R. war u.a. folgendes vereinbart:
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,,5. Tätigkeiten |
Der Mitarbeiter wird als Kraftfahrer eingestellt. Sein Aufgabenbereich umfasst auch alle Nebentätigkeiten einschließlich der Fahrzeugpflege. Er ist verpflichtet, vorübergehend auch andere Tätigkeiten auszuüben, sofern sie betrieblich notwendig werden….. |
14. Beendigung des Arbeitsverhältnisses |
Das Arbeitsverhältnis kann beiderseits gemäß den gesetzlichen Fristen gekündigt werden. Der Arbeitnehmer ist gesetzlich verpflichtet, sich gleich nach der Kündigung beim Arbeitsamt zu melden. Der Arbeitgeber stellt Sie zum Besuch beim Arbeitsamt frei. Das Recht zur fristlosen Kündigung bleibt davon unberührt. Das Arbeitsverhältnis endet mit dem Bezug von Altersruhe... |