Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Kostenübernahme für ein Notebook zum Betreiben eines Tafelkamerasystems bei einem sehbehinderten Kind. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Einkommens- und Vermögenseinsatz. Versorgung mit einem Hilfsmittel. Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Verwendung außerhalb der Schule. Nachrang der Sozialhilfe
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch eines sehbehinderten schulpflichtigen Kindes auf Übernahme der Kosten eines Laptops/Notebooks gegen den Sozialhilfeträger zum Betreiben eines Tafelkamerasystems als Hilfe zur angemessenen Schulausbildung iS der §§ 54 Abs 1 S 1 Nr 1, 92 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 12.
Normenkette
SGB XII § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Sätze 2-3, § 10 Abs. 3, § 2 Abs. 1; EinglVO § 12; SGB V § 33 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 24.10.2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für das angeschaffte 17-Zoll-Notebook/Laptop zum Betreiben eines Sehbehinderten-Lesesystems in Höhe von 950,-- Euro zu erstatten.
Der 2000 geborene und bei der Beigeladenen krankenversicherte Kläger ist sehbehindert. Er hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 80. Ihm wurden zudem die Merkzeichen “B„, “G„ und “RF„ zuerkannt. Seit dem Schuljahr 2010 besucht er eine Realschule, in der er integrativ beschult wird.
Zur Teilnahme am Unterricht bewilligte ihm die Beigeladene, nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des MDK im Saarland, ein Sehbehinderten-Lesesystem in Form eines Tafelkamerasystems mit Vergrößerungssoftware für insgesamt 6.878,20 Euro. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 30.11.2010 wurde zugleich eine Kostenübernahme für das zum Betreiben des Lesesystems erforderliche 17-Zoll-Notebook abgelehnt, da es sich hierbei um einen Gegenstand des täglichen Lebens handele. Daraufhin beantragte der Kläger im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kostenübernahme für das 17-Zoll-Notebook bei dem Beklagten (Antrag vom 13.12.2010). Nach Vorlage von Einkommens- und Vermögensnachweisen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15.02.2011 den Antrag ab und führte dazu im Wesentlichen aus, bei dem Kläger liege eine wesentliche Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vor, so dass er grundsätzlich einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe habe. Nach § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe jedoch nicht, wer unter Einsatz seines Einkommens und Vermögens sich selbst helfen könne. Die Prüfung der eingereichten Unterlagen habe ergeben, dass das Einkommen (3.546,66 EUR/Monat) der Eltern des Klägers (Einsatzgemeinschaft) die errechnete Einkommensgrenze um 1.257,09 EUR übersteige, so dass der Antrag abzulehnen gewesen sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.03.2011 Widerspruch und machte hierzu unter Vorlage der Rechnung der Fa. St. vom 01.04.2011 und Verweis auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 18.11.2010 - L 5 KR 23/10 - im Wesentlichen geltend, der Kläger benötige das Notebook/Laptop für den Schulbesuch. Es handele sich daher um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm § 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII. Diese Hilfe sei grundsätzlich einkommens- und vermögensunabhängig zu gewähren. Auf Grund der Dringlichkeit der Angelegenheit sei der Kläger in Vorleistung getreten und mache nunmehr Kostenerstattung geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte hierzu unter Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 05.06.1975 (VC 5/74) aus, es handele sich nicht um eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung iSd §§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII, sondern um eine Teilhabeleistung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs. 2 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 9 der Eingliederungshilfeverordnung (EinglVO). Das Notebook/Laptop sei nicht notwendiger Bestandteil einer angemessenen Schulbildung. Vielmehr sei eine viel umfassende Verwendbarkeit für diesen Gegenstand typisch. Demgemäß sei das vorhandene Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen.
In dem am 29.06.2011 eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) hat der Kläger unter Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens im Wesentlichen ergänzend vorgetragen, im Hinblick auf die ausschließlich schulische Nutzung des Notebooks/Laptops handele es sich um eine notwendige Hilfe zum angemessenen Schulbesuch. Der Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1975 greife nicht, da sich zwischenzeitlich die anspruchsbegründende Norm geändert habe. Das Notebook werde gemeinsam mit dem Tafelkamerasystem genutzt und sei wesentlicher Bestandteil dieses Systems. Erst m...