Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Abgrenzung der Einkommens- von der Vermögensberücksichtigung. Überbrückungsgeld
Leitsatz (amtlich)
Vor der Stellung des Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB 2 zugeflossenes Überbrückungsgeld ist als Vermögen und nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn die Antragstellung und der Zufluss im gleichen Monat erfolgt sind.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 12. April 2006 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die der Klägerin im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin auch für die Zeit vom 08. bis 31. August 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, 2954) ohne Anrechung von Einkommen zustehen.
Die 1956 geborene Klägerin war ab Februar 2005 als selbstständige Gewerbetreibende für Bürodienstleistungen tätig. Sie gab ihren Betrieb am 07. August 2005 auf (Gewerbeabmeldung vom 08. August 2005).
Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte der Klägerin wegen der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit durch Bescheid vom 31. Januar 2005 für die Zeit vom 07. Februar bis 06. August 2005 Überbrückungsgeld nach § 57 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - (SGB III) in Höhe von 1.327,39 Euro monatlich. Das Überbrückungsgeld wurde monatlich nachträglich ab 07. März 2005 auf das von der Klägerin angegebene Konto überwiesen; letztmalig erfolgte eine Gutschrift auf dem Konto der Klägerin am 05. August 2005 in Höhe von 1.327,39 Euro.
Am 08. August 2005 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 06. September 2005 wurde der Antrag für Monat August 2005 abgelehnt, weil die Klägerin auf Grund der Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig sei. Nach Anrechnung des am 07. August 2005 (tatsächlich am 05. August 2005) zugeflossenen Überbrückungsgeldes in Höhe von 1.327,39 Euro bestehe für den Monat August kein Leistungsanspruch.
Ab September 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von 676,55 Euro, das sich aus der Regelleistung in Höhe von 345,-- Euro, der Kaltmiete von 285,-- Euro und den weiteren Kosten von 46,55 Euro zusammensetzte. Die Höhe des Bedarfs steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
Mit Widerspruch vom 15. September 2005 gegen den Bescheid vom 06. September 2005 machte die Klägerin geltend, das Überbrückungsgeld werde monatlich im Nachhinein gezahlt, was sich schon aus dem Bewilligungsbescheid ergebe. Die am 05. August 2005 erfolgte Auszahlung sei für den Monat Juli bestimmt gewesen. Somit sei das Überbrückungsgeld mit diesem Datum ihrem Vermögen zugeführt worden, welches sie bis zu einer Höhe von 9.600,-- Euro besitzen dürfe, aber tatsächlich nicht gehabt habe.
Als sie ihr Gewerbe am 07. August 2005 abgemeldet habe, habe sie einen Verlust von 1.852,72 Euro abdecken müssen. Um ihren Lebensunterhalt für August und September zu sichern, habe sie bei Freunden ein zinsloses Darlehen aufnehmen müssen. Tatsächlich gewährte eine Frau M.R. der Klägerin am 23. Februar 2005 im Rahmen der Existenzgründung zur Anschaffung eines Notebooks ein zinsloses Darlehen von 1.050,-- Euro. Als spätester Rückzahlungstermin war die Abmeldung/Auflösung des Gewerbes vereinbart. Außerdem habe sie, die Klägerin, den Monatsbeitrag zur Krankenversicherung für Juli 2005 in Höhe von 260,82 Euro und den Beitrag für ihre Kraftfahrzeugversicherung in Höhe von 37,84 Euro gezahlt.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 06. September 2005 zurück. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, das Überbrückungsgeld sei als Einkommen für August anzusehen, da es in diesem Monat zugeflossen sei. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim AlgII/Sozialgeld (Alg II-Sozialgeld-Verordnung - Alg II - V) in der Fassung vom 20. Oktober 2004 (BGBl. I, 2622 ≪ in Folge: VO a.F.≫) seien laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zuflössen. Letztmalig sei eine Gutschrift zum 05. August 2005 erfolgt. Das Einkommen sei damit eindeutig im Monat des Beginns der Leistungsgewährung zugeflossen und könne deshalb nicht als Vermögen im Sinne des § 12 SGB II angesehen werden, sondern sei anteilig auf die Tage der Leistungsansprüche im Monat August 2005 in Anrechnung zu bringen. § 41 Abs. 1 SGB II bestimme, dass Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für jeden Kalendertag bestehe.
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Für die Zeit vom 08. bis 31. August 2005, also für 24 Tage, betrage der Gesamtbedarf 541,24 Euro |
(= 676,55 Euro x 24 Tage : 30 Tage). |
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Dem stehe Einkommen in Höhe von 1.3... |