Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Gesangsunterricht und Korrepetition für eine Opernchorsängerin

 

Orientierungssatz

1. Förderungsfähig nach § 45 Abs 1 S 1 SGB 3 sind nur Maßnahmen, die zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten geeignet und erforderlich sind.

2. Dabei dient die Förderung von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung der allgemeinen Aktivierung und beruflichen Eingliederung unabhängig von der Aufnahme und Anbahnung einer konkreten Beschäftigung oder Ausbildung.

3. Durch § 140 Abs 5 SGB 3 wird unmissverständlich klar, dass eine Beschäftigung nicht schon deshalb unzumutbar ist, weil sie nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehört, für die der Arbeitnehmer ausgebildet ist oder die er bisher ausgeübt hat.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.07.2022; Aktenzeichen B 4 AS 14/22 BH)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 19.10.2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin 1/3 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um Leistungen nach den Vorschriften des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II), namentlich um die Erstattung von Kosten für Gesangsunterricht und Korrepetition in Höhe von 582,00 €.

Die am 1968 geborene Klägerin war nach Abschluss ihres Hochschulstudiums im Bereich Gesang und Musikpädagogik im Jahr 2001, in der Zeit von Januar 2002 bis 01.11.2003 sowie vom 10.08.2006 bis 31.12.2008 bei der Deutschen Oper am Rhein als Opernchoraltistin beschäftigt. In dem Zeitraum 02.11.2003 bis 09.08.2006 war die Klägerin arbeitslos bzw. stand damals genauso wie seit Ende der letzten Beschäftigung im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten.

Der bei der Zentralen Künstlervermittlung der Agentur für Arbeit (im Folgenden ZAV) beschäftigte Sachbearbeiter vermerkte nach Abhalten eines Vorsingens der Klägerin am 10.10.2003 „Stütze im Verlauf etwas fragil. (…) Durchgängige Fragilität (…)“ und nach einem weiteren Vorsingen am 10.05.2011 „reife Stimme mit etwas Nebenluft (…); Volumen begrenzt; gewisse Unruhe; (…) nur kleine Into(nations)ungenauigkeiten “. In einer E-Mail an die Beklagte vom 22.06.2011 führte der Zeuge Ge. aus „(…) Volumen begrenzt; gewisse Unruhe (…) nur kleinere Into(nations)ungenauigkeiten ; auch hier teilweise mit Nebenluft (…)“.

Ausweislich einer „Rechnung über Gesangs- und Korrepetitionsunterricht“ hatte die Klägerin im Monat Juni 2016 jeweils drei Unterrichtsstunden zu einer Gesamtsumme in Höhe von 480,00 € wahrgenommen. Die Stunden wurden bei den später vernommenen Zeugen Gl. (Gesangsunterricht) und Me. (Korrepetition) genommen.

Der unter dem 01.03.2017 gestellte Antrag der Klägerin auf Gewährung von Eingliederungsleistungen aufgrund von Gastspielverpflichtungen im Februar 2017, konkretisiert durch die Mitteilung der Klägerin vom 02.04.2017, dass Kosten für Gesangsunterrichts- und Korrepetitionsstunden begehrt würden, welche bereits im Jahr 2016 entstanden seien, wurde mit Bescheid vom 08.08.2017 abgelehnt, mit der Begründung, die Klägerin haben den Antrag für die bereits im Jahr 2016 erlangte Leistung sowie getragenen Kosten verspätet gestellt. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 10.08.2017 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2017 als unbegründet zurückgewiesen. Begründend führte der Beklagte aus, Leistungen aus dem Vermittlungsbudget könnten nur erbracht werden, wenn sie für die berufliche Eingliederung erforderlich seien. Dies sei bei der Klägerin, die ausgebildete Opernsängerin sei, im Hinblick auf die beantragte Kostenerstattung für die Gesangs- und Korrepetitionseinheiten nicht der Fall, da die Klägerin in der Vergangenheit sich über einen langen Zeitraum vergeblich darum bemüht habe, eine entsprechende Anstellung zu finden. Es bestehe zudem kein Anspruch auf eine berufsbezogene Vermittlung in Arbeit.

Nachdem die Klägerin dem Beklagten unter Vorlage der Gästeabrechnung vom 21.02.2017 mitgeteilt hatte, dass ihr für ein Engagement bei dem Saarländischen Staatstheater Einkünfte in Höhe von 310,00 EUR zzgl. einer Erstattung an Reisekosten am 22.02.2017 zugeflossen seien, hatte der Beklagte - nach vorheriger Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 03.04.2017- mit Bescheid vom 31.08.2017 die Leistungsbewilligung der Klägerin vom 16.01.2017 hinsichtlich der für den Monat Februar 2017 zuerkannten Leistungen teilweise in Höhe von 173,25 € wegen dieses Einkommenszuflusses aufgehoben und eine entsprechende Erstattungsforderung festgesetzt. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 25.09.2017 wurde nicht beschieden.

Die hiergegen am 22.12.2017 erhobene Klage hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) mit Urteil vom 19.10.2018 nach mündlicher Verhandlung, in der die Klägerin die Anträge gestellt hatte, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom ...

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