nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 06.06.2003; Aktenzeichen S 21 KR 797/03 ER) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Juni 2003 geändert. Das Zwangsgeld wird auf 1.000,- EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sowie die Gerichtskosten im Antrags- und Beschwerde- verfahren zu je einem Fünftel. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 6. Juni 2003 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und teilweise begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht ein Zwangsgeld gegen die Antragsgegnerin festgesetzt. Allerdings ist die Höhe dieses Zwangsgeldes nach den gesetzlichen Vorschriften auf maximal 1.000 Euro begrenzt.
Im vorliegenden Fall wird die Vollstreckung aus dem Vergleich vom 22. März 2002 beansprucht, der die Verpflichtung enthält, dass die Antragsgegnerin die am Vergleich beteiligten Pflegeunternehmen - vorläufig - so behandelt, als bestünde ein Vertrag über die Durchführung und Abrechnung von Pflegeleistungen mit einem bestimmten Inhalt. Der zur Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens bei gleichzeitig anhängigem Hauptsacheverfahren geschlossene Vergleich enthält keine zeitliche Begrenzung. Aus dem Gesamtkontext ergibt sich der Wille der Beteiligten, eine vorläufige Regelung bis zur gerichtlichen Entscheidung zu treffen. Der Vergleich wirkt deswegen bis zur Entscheidung der Hauptsache in erster Instanz. Die Beklagte lehnt es seit März 2002 ab, ihre Verpflichtung aus dem Vergleich zu erfüllen.
Gemäß § 198 Abs. 1 SGG gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Wenn der Sozialversicherungsträger in den Fällen des § 131 SGG der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt, kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu tausend Euro durch Beschluss androhen und nach vergeblichem Fristablauf (auch wiederholt) festsetzen (vgl. § 201 SGG).
§ 201 SGG ist auf die hier streitige Vollstreckung entsprechend anzuwenden. Nach seinem Wortlaut erfasst § 201 SGG nur die Vollstreckung aus Verpflichtungsurteilen. Aus Gründen der verfassungsrechtlichen Garantie des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz folgt, dass aus dem hinsichtlich der Vollstreckbarkeit einem Urteil gleichstehenden Vergleich (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG) auch dann vollstreckt werden kann, wenn mangels Bezifferung der Forderung die Anwendung des § 198 SGG ausscheidet (Bundessozialgericht 6.8.99 - B 4 RA 25/98 B, SozR3-1500 § 199 Nr 1). Daher ist auch aus einem Grundurteil und einem seinem Inhalt entsprechenden Vergleich die Vollstreckung nach § 201 SGG möglich (vgl. Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, § 201 Rz. 2 mwN). Der hier geschlossene Vergleich entspricht dem Inhalt eines Grundurteils, weil die Durchführung und Abrechnung von Pflegeleistungen unter Zugrundelegung einer bestimmten Vertragskonstellation vereinbart worden ist.
Die vom Sozialgericht dargelegte gegenteilige Auffassung überzeugt nicht. Der Anwendungsbereich des § 201 SGG ist nicht auf die Vollstreckung aus Gerichtsverfahren beschränkt, bei denen die Beteiligten in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander stehen. Zwar sieht der in Bezug genommene § 131 nach seinem Wortlaut in den Absätzen 1 bis 3 Urteilsformeln vor, die sich mit der Rückgängigmachung der Vollziehung von Verwaltungsakten und der Verurteilung bzw. Verpflichtung zum Erlass von Bescheiden befassen und damit nur bei Vorliegen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Beteiligten angestrebt werden können. Der Wortlaut des § 131 Abs. 1 SGG ist jedoch nicht abschließend und auch auf Fälle der vorliegenden Art anwendbar (Pawlak in Hennig, SGG-Kommentar, § 131 Rz 3ff).
Wegen der Sonderregelung in § 201 SGG scheidet ein Rückgriff auf die ZPO aus. Es kann deswegen nicht darauf ankommen, ob auch in der ZPO Zwangsmittel für Fälle der vorliegenden Art vorgesehen sind.
Aus der Regelung des § 201 SGG ergibt sich die Höchstsumme des festzusetzenden Zwangsgeldes. Angesichts der Beharrlichkeit der Weigerung der Antragsgegnerin ist die Festsetzung des Höchstbetrages angemessen. Da der Gesetzgeber bei öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträgern davon ausgeht, dass sie gerichtliche Entscheidungen, Vergleiche und Anerkenntnisse ordnungsgemäß ausführen, ist ein höheres Zwangsgeld und auch eine Zwangshaft gesetzlich nicht vorgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Entscheidung über das Zwangsgeld dem Grunde nach von wesentlicher Bedeutung und deswegen der Bes...