Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer versäumten Verfahrensfrist
Orientierungssatz
1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist jemandem nach § 67 Abs. 1 S. 1 SGG zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Beteiligte muss alle im Einzelfall zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um eine Frist zu wahren.
2. Eine krankheitsbedingte unverschuldete Verhinderung i. S. von § 67 Abs. 1 S. 1 SGG setzt den Verlust der Handlungsfähigkeit voraus, an den hohe Anforderungen zu stellen sind. Selbst eine mit Bettlägerigkeit einhergehende Erkrankung genügt im Allgemeinen nicht zur Gewährung der Wiedereinsetzung.
3. Von einem Prozessbeteiligten ist zu verlangen, dass er für seinen Prozessbevollmächtigten erreichbar bleibt. Dies gilt umso mehr, wenn der Beteiligte Kenntnis davon hatte, dass eine mündliche Verhandlung anberaumt ist.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird als unzulässig verworfen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte bewilligte dem am … 1967 geborenen Kläger mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer beginnend am 1. Juni 2004 und erkannte auf eine Nachzahlung von 60.483,54 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Oktober 2012. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger eine Nachzahlung auch für vor dem 1. Januar 2007 liegende Zeiträume begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2013 zurück.
Hiergegen hat der Kläger - vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten - am 8. Mai 2013 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit am 26. Oktober 2016 mündlich verhandelt. Die Terminsmitteilung ist dem Kläger ausweislich einer in der Prozessakte befindlichen Postzustellungsurkunde am 28. September 2016 zugestellt worden.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Oktober 2013 abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich dessen Empfangsbekenntnisses am 4. November 2016 zugestellt worden. Es ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne und diese innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder schriftlich bei der Gemeinsamen Annahmestelle einzulegen sei. Die Berufungsfrist sei auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht Hamburg schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werde. Die Berufungsschrift müsse innerhalb der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie solle das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Am 20. Dezember 2016 hat sich der Kläger per E-Mail an die gemeinsame Poststelle von Sozialgericht und Landessozialgericht gewandt und unter dem Betreff "Urteilsanfechtung - Berufung in nächster Instanz - anderes Bundesland" ausgeführt, das Urteil sei ihm erst jetzt bekannt geworden, da er nicht mehr in H. wohne. Er habe es bislang nicht einmal "sehen können". Mit dem Urteil sei er nicht einverstanden. Er werde es nach einer Zuständigkeitsbestimmung durch das Bundessozialgericht an dem nunmehr zuständigen Gericht anfechten. Am 30. Januar 2017 hat der Kläger sodann per Fax mitgeteilt, sein "Schreiben" vom 20. Dezember 2016 solle als Berufung aufgefasst werden.
Dem Vorbringen der Klägerin ist der Antrag zu entnehmen,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 30. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für den Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2006 zu gewähren.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich im Berufungsverfahren auch sonst nicht geäußert.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2017 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung erst nach Ablauf der Berufungsfrist am 4. Dezember 2016 eingegangen sei und sie deswegen als unzulässig verworfen werden müsse, sofern keine Tatsachen vorlägen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigten. Dies wäre der Fall, wenn der Kläger ohne Verschulden verhindert gewesen wäre, rechtzeitig Berufung einzulegen. Die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags seien glaubhaft zu machen.
Der Kläger hat daraufhin erklärt, auf eine nur sechzehntägige Verspätung könne es schon deswegen nicht ankommen, weil er mehr als 4200 Tage auf die Bewilligung seiner Rente habe warten müssen. Im sozialgerichtlichen Verfahren habe er vier...