Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg gegen Hausverbot eines Sozialleistungsträgers. Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht
Orientierungssatz
In einem Rechtsstreit über ein Hausverbot für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber einem Leistungsempfänger ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (entgegen BSG vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 6).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Antragsstellers sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig.
Gründe
Die am 24. Juli 2012 erhobene Beschwerde gegen den am 26. Juni 2012 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Die Beschwerde ist statthaft nach § 17a Abs. 4 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.V.m. § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 172 SGG. Nach § 17a Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 GVG ist gegen einen Beschluss, mit dem das Gericht die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ausspricht und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verweist, die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Da das SGG die in § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG genannte sofortige Beschwerde nicht kennt, tritt an deren Stelle die Beschwerde nach § 172 SGG (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.2.2007, L 23 B 260/06 SO). Einschränkungen für Rechtswegbeschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG ergeben sich aus § 172 SGG nicht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1.11.2005, L 8 B 38/05 SO).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat sich zu Recht für unzuständig erklärt und die Verweisung an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht ausgesprochen. Der entgegenstehenden Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 1.4.2009, B 14 SF 1/08 R) schließt sich der Senat nicht an.
Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dass es sich bei dem vorliegenden Eilantrag um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne dieser Vorschrift handelt, ist nicht streitig und auch nicht zu bezweifeln. Eine abdrängende Sonderzuweisung, die die Zuständigkeit des Sozialgerichts begründen könnte, findet sich nicht. Insbesondere greift § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG, wonach die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden, nicht als abdrängende Sonderzuweisung ein. § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG erstreckt sich - ebenso wie die anderen Tatbestände des Zuständigkeitskataloges - nicht auch auf Streitigkeiten um das Hausrecht in den Gebäuden und sonstigen Liegenschaften der Sozialleistungsträger (so bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.3.2007, L 16 B 3/07 SF; zum Arbeitsamt: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.2.1998, 25 E 960/97; für Hausverbote in Liegenschaften des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende aus der Zeit nach dem Beschluss des BSG vom 1.4.2009 auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.5.2011, 16 E 174/11; VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 23.2.2010, 4 L 103/10.NW; VG Berlin, Beschluss vom 21.4.2010, 34 K 147.09, und Urteil vom 15.03.2010, 34 K 78.09; VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2011, 5 E 2409/11; zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Hausverbote in Finanzämtern: FG Münster, Beschluss vom 30.8.2010, 14 K 3004/10). § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG ist einschlägig, wenn das streitige Begehren seine Grundlage im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) findet. Lässt sich dies nicht klar ermitteln, ist danach zu fragen, ob das Begehren in engem sachlichen Zusammenhang zur Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem SGB II steht (BSG, Urteil vom 15.12.2009, B 1 AS 1/08 KL: Haftung des Landes Berlin für von den ARGEn in Berlin angewandte gesetzwidrige Verwaltungsvorschriften). Für die übrigen Tatbestände des § 51 Abs. 1 SGG - von denen allerdings keiner näher in Betracht kommt - gilt entsprechendes.
Seine Grundlage findet das Begehren des Antragstellers - oder umgekehrt das Handeln des Antragsgegners - weder im SGB II noch andernorts im Sozialgesetzbuch. Zwar dürfte sich aus dem Grundsatz der Verwirklichung sozialer Rechte (§ 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB I) und den diesen Grundsatz umsetzenden allgemeinen Vorschriften über den Zugang zu Sozialleistungen (§§ 13 ff. SGB I; vgl. auch § 93 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV) unproblematisch auch ein Anspruch auf ungehinderten Zugang zu den Behörden der Sozialleistungsträger ergeben. Eine positiv-rechtliche Ausformung erfährt das Hausrecht der Leistungsträger allerdings nicht (so auch BSG, Beschluss vom 1.4.2009, B 14 SF 1/08 R). Insoweit...