Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG
Orientierungssatz
1. Nach § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG ist die Vorschrift des § 44 Abs. 1 SGB 10 über die Rücknahme bzw. Abänderung von Leistungsbescheiden auch auf Leistungsbescheide nach dem AsylbLG anzuwenden.
2. Eine Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG scheidet nach der Rechtsprechung des BSG aber dann aus, wenn die Bedürftigkeit inzwischen vorübergehend oder auf Dauer entfallen ist (BSG Urteil vom 26. Juni 2013, B 7 AY 3/12 R). Leistungen nach dem AsylbLG dienen nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage.
3. Hat der Asylbewerber seinen Lebensunterhalt aus Erwerbseinkünften bzw. aus Unterstützungsleistungen von Verwandten gedeckt, so ist eine Neufeststellung des Leistungsanspruchs nach § 44 Abs. 1 SGB 10 ausgeschlossen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. August 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zeiträume vom 1. Mai 2005 bis zum 31. März 2006 und vom 1. Mai 2008 bis zum 11. Juni 2009 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren sind.
Die am … 1975 in Serbien geborene Klägerin ist s. Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der R. an. Nach ihren eigenen Angaben reiste sie erstmals im November 1991 ohne Visum nach D. ein. Ein 1992 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung wurde abgelehnt. 1994 reiste die Klägerin wieder aus. Im Januar 2000 reiste sie zusammen mit ihrem damaligem Ehemann (ebenfalls s. Staatsangehöriger) und den beiden Kindern V. (geboren 1995) und V1 (geboren 1998) erneut und wiederum ohne Visum nach D. ein. Die Familie beantragte eine Aufenthaltserlaubnis. Diese wurde mit Bescheid vom 31. Januar 2000 abgelehnt, zugleich wurde die Ausweisung verfügt. Einer drohenden Abschiebung entging die Familie, indem sie einen Asylantrag stellte. Im Zusammenhang mit diesem Antrag wurden die Klägerin und ihr Ehemann am 1. Juni 2004 getrennt durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) nach § 25 AsylVfG angehört. Im Jahr 2005 wurde der Asylantrag der Klägerin abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage war erfolglos.
Die Klägerin erhielt während des Asylverfahrens und zunächst auch darüber hinaus eine Aufenthaltsgestattung. 2006 wurde die Klägerin von ihrem damaligen Ehemann geschieden. Im Januar 2007 heiratete sie einen deutschen Staatsangehörigen, der in H. lebte. Am 8. Januar 2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem Ehemann. Im Frühjahr 2008 wurde die Aufenthaltsgestattung der Klägerin eingezogen, am 4. April 2008 wurde ihr eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt. Mit Bescheid vom 22. April 2008 wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgestattung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Hamburg ab (Urteil vom 9.1.2013 - 21 K 1861/08). Ihren eigenen Angaben zufolge lebt die Klägerin seit August 2008 von ihrem neuen Ehemann getrennt.
Bei einer Anhörung durch die Ausländerbehörde am 5. Dezember 2008 erklärte die Klägerin, sie und ihre Kinder hätten s. Pässe. Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte die Ausländerbehörde die Klägerin unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflichten nach § 82 Abs. 1 AufenthG auf, sich und ihren Kindern einen gültigen Pass oder einen Passersatz ihres Heimatstaates zu beschaffen. Am 15. Dezember 2008 legte die Klägerin ihren s. Nationalpass, ausgestellt am 28. Juli 2006, sowie Nationalpässe ihrer beiden Kinder, ausgestellt jeweils am 10. Juli 2008, bei der Ausländerbehörde vor, dort wurden sie zur Verwahrung bis zur Ausreise eingezogen.
Die Tochter der Klägerin leidet an einer Tumorerkrankung der rechten Wange, die bis zum Jahr 2011 neunmal operiert wurde. Der behandelnde Arzt Dr. T. bescheinigte der Klägerin am 17. März 2009, dass eine vollständige Entfernung des Tumors nicht möglich und eine adäquate medizinische Versorgung der Erkrankung im Heimatland nicht gewährleistet sei. Infolgedessen wurde eine im Jahr 2009 beabsichtigte Abschiebung durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 31. März 2009 (Az. 21 E 3381/08) vorläufig untersagt, befristet bis zur Vorlage einer Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte durch Bescheid vom 2. April 2009 fest, dass hinsichtlich der Tochter der Klägerin keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse bestünden. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltun...