Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründungszuschuss. Aufnahmezeitpunkt der selbständigen Tätigkeit. Restanspruch auf Arbeitslosengeld zu diesem Zeitpunkt. Vorbereitungshandlungen. enger zeitlicher Zusammenhang zum Bezug von Arbeitslosengeld. Verzögerung bzw Untätigkeit. Abschluss der Vorbereitungshandlung. Zahlung der Gebühr für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

 

Orientierungssatz

1. Werden Vorbereitungshandlungen für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in engem zeitlichen Zusammenhang zum Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgenommen, dann aber verzögert, spielt dies hinsichtlich der Frage, ob gem § 93 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 3 bei Aufnahme der Tätigkeit noch ein Anspruch auf 150 Tage Arbeitslosengeld besteht, keine Rolle, wenn zu dem Zeitpunkt, an dem der Antragsteller die Vorbereitungshandlungen abgeschlossen, dh alles aus seiner Sicht für die Existenzgründung Erforderliche getan hat, noch der erforderliche Restanspruch gegeben ist.

2. Die Zahlung der für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erforderlichen Gebühr ist als Abschluss der Vorbereitungshandlung zu sehen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. März 2013 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Neubescheidung seines Antrags auf Gründungszuschuss.

Der am ... 1973 geborene Kläger legte am 29. September 2011 die Zweite juristische Staatsprüfung ab, meldete sich anschließend arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg). Nach seinen unwidersprochenen Angaben erklärte er bereits früh gegenüber der Beklagten, er wolle sich als Rechtsanwalt selbständig machen. Am 29. Dezember 2011 teilte er der Beklagten mit, die Aufnahme einer solchen Tätigkeit werde sich angesichts erheblicher Finanzierungsprobleme noch verzögern, allerdings gehe er davon aus, bis Februar 2012 alles in die Wege geleitet zu haben. Im Vermerk der Beklagten vom selben Tage heißt es “neue Regelung GZ erläutert, fällt jetzt unter das neue Recht; Antragsunterlagen folgen„. Am 26. Januar 2012 erfolgte seitens der Beklagten eine telefonische Beratung zum Gründungszuschuss. Im dazugehörigen Vermerk heißt es, es sei ein “AV-T„ am 31. Januar 2012 mitgeteilt worden.

Am 19. Januar 2012 schlossen der Kläger und die Rechtsanwaltskanzlei K. mit Wirkung zum gleichen Tag einen Kooperationsvertrag, wonach der Kläger ab demselben Datum als eigenständiger Rechtsanwalt - weisungsfrei - unter dem Namen der Kanzlei auftreten und im Rahmen dieser Tätigkeit einen Büroplatz der Kanzlei nutzen sollte (der Vertrag spricht ausdrücklich von einer Scheinsozietät in Bürogemeinschaft). Im Einzelnen sollte die Kanzlei dem Kläger einen Büroarbeitsplatz zur Verfügung stellen, ihn in den Außenauftritt der Kanzlei integrieren und ihn bei der Beschaffung und Betreuung von Mandaten unterstützen. Der Kläger sollte (nach § 2 Nrn. 1 und 4 des Vertrages) im eigenen Namen unter Firmierung der Kanzlei für seine Auftraggeber und nicht für die Kanzlei tätig sein und keinerlei Weisungen unterliegen. Er verpflichtete sich, für alle Voraussetzungen der Zulassung selbst zu sorgen und sich selbst zu versichern (§ 2 Nr. 5 des Vertrages). Einen entsprechenden Vertrag schloss der Kläger am 1. Februar 2012 mit sofortiger Wirkung auch mit Rechtsanwalt P. (in W. an der L.).

Am 27. Januar 2012 holte der Kläger ein Angebot der A. GmbH hinsichtlich der für die Zulassung zur Anwaltschaft erforderlichen Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung ein und schloss - ausweislich des Versicherungsscheins vom 9. Februar 2012 - eine solche Versicherung auch ab. Am 16. Februar 2012 beantragte er - nach eigenem Vorbringen - die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und entrichtete am 28. Februar 2012 die erforderliche Gebühr. Die Zulassung erfolgte am 23. Mai 2012, woraufhin der Kläger ab dem 1. Juni 2012 in den Kanzleien K. und P. als Rechtsanwalt tätig war.

Am 31. Januar 2012 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, in der als Zielsetzung die Niederlassung als Rechtsanwalt mit Standort in H. vereinbart wurde; der Kläger verpflichtete sich dazu, mit dem Ziel einer Existenzgründung bis zum 1. April 2012 oder früher zeitnah einen tragfähigen Businessplan, die Begründung für den Antrag auf Gründungszuschuss, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle sowie die Anmeldung beim Finanzamt vorzulegen. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft habe er bereits beantragt. Die Beklagte verpflichtete sich, die “Förderungsvoraussetzungen für den Gründungszuschuss im Rahmen der Ermessensleistungen„ zu prüfen. In einem Vermerk der Beklagten vom selben Tag heißt es u.a. “GZ-Beratung; Antrag ausgegeben„.

Mit Antrag vom 12. Februar 2012 forderte d...

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