Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Arbeitslosen auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe
Orientierungssatz
1. Nach § 324 Abs. 2 S. 1 SGB 3 a. F. kann Berufsausbildungshilfe auch nachträglich beantragt werden. Diese wird dann jedoch gemäß § 325 Abs. 1 SGB 3 a. F. frühestens ab dem Beginn des Antragsmonats geleistet.
2. Förderungsfähig war bis zum 1. 4. 2012 gemäß § 60 Abs. 2 S. 1 SGB 3 a. F. die erstmalige Ausbildung. Eine zweite Ausbildung konnte gemäß § 60 Abs. 2 S. 2 SGB 3 a. F. gefördert werden, wenn zu erwarten war, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden konnte und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wurde.
3. § 60 Abs. 2 S. 2 SGB 3 a. F. setzt eine gerichtlich voll überprüfbare Prognoseentscheidung voraus, in deren Rahmen insbesondere der Vorrang der Vermittlung nach § 4 SGB 3 zu beachten ist.
4. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Richtigkeit der Prognose ist der Abschluss des Verwaltungsverfahrens. Der spätere Geschehensablauf ist aber dann mitzuberücksichtigen, wenn dieser die Prognoseentscheidung widerlegt.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).
Der am ... 1987 geborene Kläger absolvierte nach Erlangung der Mittleren Reife im Jahr 2007 erfolgreich eine vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2009 dauernde Ausbildung zum Assistent - Wirtschaftsinformatik und suchte anschließend nach eigenen Angaben zunächst erfolglos nach einem Praktikumsplatz. Nachdem er sich am 1. Oktober 2009 arbeitslos gemeldet hatte, schlossen er und die Beklagte am 8. Oktober 2009 und am 17. November 2009 Eingliederungsvereinbarungen mit einer Laufzeit bis April 2010 und dem Ziel einer Arbeitsaufnahme als Assistent für Wirtschaftsinformatik bundesweit. Die Beklagte verpflichtete sich zur Leistung von Förderleistungen aus dem Vermittlungsbudget für Bewerbungskosten und Reisekosten, der Kläger verpflichtete sich unter anderem dazu, seine Eigenbemühungen alle sechs Wochen nachzuweisen. Ebenfalls am 8. Oktober 2009 und am 17. November 2009 wurde der Kläger aufgefordert, sich jeweils auf eine bestimmte, von der Beklagten benannte Stelle zu bewerben (eine davon als “Mitarbeiter Netzwerkadministration„ mit der Berufsbezeichnung “Wirtschaftsinformatiker [Fachschule]„). Eingestellt wurde er beide Male nicht.
Zum 10. November 2009 nahm der Kläger ein Praktikum als IT-Systemadministrator bei der G. AG auf, das bis zum 8. Dezember 2009 dauerte. Am 9. Dezember 2009 schlossen er und die G. AG einen Vertrag über eine Berufsausbildung zum Fachinformatiker - Systemintegration, die vom 9. Dezember 2009 bis zum 8. Dezember 2012 dauern sollte. Die Vergütung sollte 460 Euro in ersten, 540 Euro im zweiten und 620 Euro im dritten Lehrjahr betragen.
Am 1. März 2010 beantragte der Kläger BAB für die besagte Ausbildung. Die Beklagte führte eine (in ihren Akten nur ansatzweise dokumentierte) Stellensuche durch, die einmal 18 und einmal 20 Seiten mit Ergebnissen erbrachte. Als Berufsbezeichnung wurde in den zur Akte genommenen Ausdrucken überwiegend Fachinformatiker - Systemintegration genannt, teils auch Fachinformatiker - Anwendungsentwicklung und Assistent - Informatik. Die Beklagte bewertete dies intern dahingehend, dass der Kläger in etwa die gleiche Ausbildung in betrieblicher Form mache, die er bereits schulisch absolviert habe.
Mit Bescheid vom 18. März 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Die Förderung einer zweiten Ausbildung sei nur möglich, wenn eine berufliche Eingliederung dauerhaft nicht auf andere Weise erreicht werden könne. Eine Prüfung des Arbeitsmarktes durch die zuständige Arbeitsvermittlung habe allerdings ergeben, dass sich die Chancen für eine Integration in den Arbeitsmarkt durch die zweite Ausbildung nicht nennenswert gebessert hätten. Nachhaltige Aktivitäten oder Bemühungen zur beruflichen Eingliederung in den Arbeitsmarkt mit der ersten Ausbildung seien nicht erfolgt. Von einer Prüfung der sonstigen Voraussetzungen habe die Beklagte abgesehen, um dem Kläger “zusätzliche Bemühungen„ zu ersparen. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ausbildung sei jede Berufsausbildung, auch eine Berufsschulausbildung. Bei der Ausbildung zum Technischen Assistenten für Informatik habe es sich um die Erstausbildung des Klägers gehandelt, bei der am 9. Dezember 2009 aufgenommenen Ausbildung daher um eine Zweitausbildung. Eine Zweitausbildung könne nur gefördert werden, wenn die berufliche Eingliederung im Erstberuf dauerhaft nicht durch Vermittlungsbemühungen oder andere Förderinstrumente erreicht werden könne und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht werde. N...