Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Spezielle Kostform. Nahrungsmittelunverträglichkeit

 

Orientierungssatz

1. Nach §§ 41, 42 S. 1 Nr. 2 i. V. m. § 30 Abs. 5 SGB 12 wird für kranke Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe zuerkannt. Ist lediglich eine spezielle Kostform wie lipidsenkende oder Diätkost erforderlich, so besteht kein Mehrbedarf gegenüber der angemessenen Ernährung in Form von gesunder Mischkost oder Vollkost.

2. Dies gilt u. a. dann, wenn der Betreffende eine Erkrankung nicht geltend gemacht und belegt hat, die in den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen aufgeführt ist.

 

Normenkette

SGB XII § 30 Abs. 5

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines Mehrbedarfszuschlags für kostenaufwändige Ernährung.

Der 57 Jahre alte Kläger bezieht laufend eine Rente wegen Erwerbsminderung und steht im laufenden Bezug von aufstockenden Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Ein Grad der Behinderung von 80 ist u.a. wegen einer psychischen Störung und wegen degenerativer Wirbelsäulenveränderungen anerkannt. Der Kläger erhält aufgrund der psychischen Störung Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII (ppm - personenbezogene Hilfen für psychische kranke Menschen).

Im Oktober 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten einen Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung. Er reichte hierzu eine Bescheinigung seines Hausarztes Dr. H. vom 31. Oktober 2011 ein, mit der das Vorliegen einer allergiebedingten Neurodermitis und die Notwendigkeit einer individuellen, allergiefreien Kost bestätigt wurde. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Februar 2012 ab, wogegen der Kläger am 23. Februar 2012 Widerspruch erhob. In einer Bescheinigung vom 27. April 2012 bestätigte der Hautarzt Dr. H1 eine allergische Rhinitis mit einem oralen Allergie-Syndrom. Der Kläger vertrage kein Kernobst und wenig Steinobst. Nüsse würden ebenfalls nicht vertragen. Diese Lebensmittel solle der Kläger nur eingeschränkt zu sich nehmen. Eine Allergie-Testung erscheine zurzeit nicht sinnvoll. Der Bescheinigung war das Ergebnis eines Pricktestes aus August 2010 beigefügt. Soweit ersichtlich waren dabei Allergien gegen Anis, Selleriewurzel und Histamine gefunden worden. In einer umweltmedizinischen Stellungnahme des praktischen Arztes Dr. W. wird dem Kläger ein Mangel an Vitamin C und Selen bestätigt, der durch eine antioxidantienreiche und ökologisch-basierte Diät auszugleichen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2012 wies der Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf ein Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Juli 2010 zurück. In dem vom Kläger ebenfalls wegen ernährungsbedingten Mehrbedarfs gegen den Träger von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geführten Verfahren, dem die Beklagte beigeladen war, habe das Gericht einen Mehrbedarf wegen der allergischen Rhinitis abgelehnt.

Zur Begründung seiner am 5. September 2012 beim Sozialgericht Hamburg erhobenen Klage hat der Kläger auf seine Multimorbidität hingewiesen - verschiedene psychische Erkrankungen, Spannungskopfschmerzen, Erkrankung der Halswirbelsäule, Fibromyalgie, Taubheitsgefühle an den Händen, Allergien, Neurodermitis, Magen-Darm-Probleme, Nagelbetterkrankung - und auf die vorliegenden Befundberichte Bezug genommen. Nach einem ersten Erörterungstermin im August 2013, in dem der Kläger u.a. eine Liste der ihn behandelnden Ärzte vorgelegt hat, hat das Sozialgericht den Hausarzt Dr. H. und den praktischen Arzt Dr. P. jeweils um eine Auskunft gebeten zu der Frage, welche Erkrankungen bei dem Kläger vorlägen und ob es sich dabei um verzehrende Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen handele oder um solche, die mit einer gestörten Nährstoffaufnahme bzw. Nährstoffverwertung einhergingen. Dr. H. hat im Oktober 2013 mitgeteilt, der Kläger sei seit einem halben Jahr nicht mehr bei ihm in Behandlung. Erkrankungen der genannten Art seien in seiner Praxis nicht bekannt geworden. Dr. P. hat mitgeteilt, dass er keine sinnvollen Angaben machen könne. Eine nervenärztliche Stellungnahme sei weiterführender.

Nach einem weiteren Erörterungstermin im Februar 2015 hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. März 2015 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dem Kläger stehe ein Mehrbedarfszuschlag nicht zu. Gemäß §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 30 Abs. 5 SGB XII werde für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Nach den Empfehlungen des D. sei ein solcher Mehrbedarf bei verzehrenden Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen und solchen, die mit einer ges...

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