Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Sperrzeit. Ruhen. Ablehnung des Arbeitsangebotes. Inhalt des Bewerbungsschreibens. Wille des Arbeitslosen. Absendung. Erreichen des Adressaten. Scheitern des Vermittlungsvorschlags. Kausalität
Orientierungssatz
1. Mit der Absendung eines Bewerbungsschreibens und der darin liegenden Äußerung seines Ablehnungswillens gibt der Arbeitslose Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit, denn er hat die vom Arbeitsamt angebotene Beschäftigung iS von § 119 Abs 1 S 1 Nr 2 AFG nicht angenommen. Die Absendung einer erkennbar nicht ernstgemeinten Bewerbung - einer Nicht-Bewerbung - verkörpert denselben Willen wie das bewusste Unterlassen einer Bewerbung. Es kann insoweit nicht darauf ankommen, ob diese Nicht-Bewerbung ihren Adressaten, den Arbeitgeber, erreicht hat oder ob sie durch Fehler bei der Postbeförderung verloren geht.
2. Für das Scheitern des Vermittlungsvorschlags ist nicht das Bewerbungsschreiben des Arbeitslosen ursächlich, sondern die Tatsache, dass es den Arbeitgeber nicht erreicht hat.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 5. Juni bis zum 26. August 1997 wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht hat und ob die Beklagte befugt war, deswegen die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe rückwirkend ab dem 5. Juni 1997 aufzuheben.
Die Beklagte bot dem Kläger während des Bezuges von Alhi am 15. Mai 1997 eine Beschäftigung als Reisender bzw. Vertreter bei der Firma W GmbH an und forderte ihn auf, sich dort umgehend schriftlich zu bewerben. Das Unternehmen teilte der Beklagten am 27. Mai 1997 mit, der Kläger habe sich dort weder telefonisch noch schriftlich gemeldet und auch nicht persönlich vorgestellt. Von der Beklagten bei einer persönlichen Vorsprache hierzu befragt, erklärte der Kläger am 4. Juni 1997, er habe sich spätestens am 18. Mai 1997 schriftlich beworben; eine Antwort stehe noch aus. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung der Alhi mit Ablauf des 4. Juni 1997 ein.
Der Kläger widersprach der Einstellung der Arbeitslosenhilfe am 26. Juni 1997 und führte aus, er habe sich am 17. Mai 1997 schriftlich bei der Firma W beworben. An diesem Tag habe er seine Bewerbung per Post abgeschickt, sodass sie am 20. Mai bei der Firma angekommen sein müsste. Eine Bekannte habe seinerzeit das Bewerbungsschreiben auf mögliche Rechtschreibungsfehler durchgesehen; eine andere habe es aus Gefälligkeit auf ihrem Weg zum Postamt mitgenommen und in einen Briefkasten der Hauptpost in B geworfen. Sollte seine Bewerbung auf dem Postwege abhanden gekommen sein, so sei er dafür nicht verantwortlich. Er fügte eine Kopie seines Bewerbungsschreibens zum 17. Mai 1997 bei, das er wie folgt formuliert hatte:
"Hiermit möchte ich mich für die oben genannte Position bewerben.
Die beschriebene Aufgabe interessiert mich trotz fehlender Branchenkenntnisse sehr, und ich glaube, die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen, wie sie aus meinen beigefügten Bewerbungsunterlagen ersehen können.
Leider bin ich seit dem Oktober 1989 arbeitslos. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn für diese Tätigkeit die lange Zeit der Arbeitslosigkeit und mein Alter von 55 Jahre jung, nicht als negativ angesehen werden. Verfügbar wäre ich sofort.
Sie können von mir unter anderem erwarten: Flexibilität, Belastbarkeit, Leistungs- und Lernfähigkeit sowie teamorientiertes Denken und Handeln, ein gepflegtes Äußeres und Freude am Umgang mit Menschen und den Willen zum Arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen ..."
Mit Bescheid vom 26. Juni 1997 stellte die Beklagte zu Lasten des Klägers den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen vom 5. Juni 1997 bis zum 27. August 1997 und das Ruhen seines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe während dieses Zeitraums mit der Begründung fest, der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen das Zustandekommen des vom Arbeitsamt vermittelten Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma W dadurch vereitelt, dass er sich nicht vorgestellt habe. Gleichzeitig hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 5. Juni 1997 bis 27. August 1997 unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch -- Zehntes Buch -- Verwaltungsverfahren (SGB X) auf.
Gegen diesen Bescheid erhob der Klägerin am 20. Juli 1997 Widerspruch. Die Beklagte beanstande zu Unrecht, dass er sich bei der Firma W nicht vorgestellt habe, denn er habe von dieser Firma nie einen Vorstellungstermin erhalten. Im Vermittlungsvorschlag vom 15. Mai 1997 sei er ausdrücklich aufgefordert worden, sich schriftlich bei der Firma zu bewerben. Dies habe er am 17. Mai 1997 getan. Eine Einladung zur persönlichen Vorstellung habe er nicht erhalten. Als er die Firma W am 4. Juni 1997 auf Veranlassung seines Arbeitsberaters zwecks Vereinbarung eines Vorstellungstermins angerufen habe, sei ihm mitgeteilt worden, die ausgeschriebene Position sei schon besetzt. Dieses habe er sofort telefonisch der Beklagten mitgeteilt.
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