Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeits- bzw. Restitutionsklage. Wiederaufnahmeklage. Schlüssige Behauptung eines Restitutionsgrundes. Rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat. Verletzung der Wahrheitspflicht durch einen Sachverständigen
Orientierungssatz
1. Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. Voraussetzung der Zulässigkeit ist, dass der Antragsteller einen im Gesetz vorgesehenen Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet. Nach § 581 Abs. 1 ZPO findet im Fall des § 580 Nr. 3 ZPO eine Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen kann.
2. An der schlüssigen Behauptung eines Restitutionsgrundes nach § 580 Nr. 7 b ZPO fehlt es, wenn der Kläger die aus seiner Sicht maßgeblichen Urkunden bereits in dem früheren Verfahren hätte vorlegen können oder binnen eines Monats nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund die Klage nicht erhoben hat.
Normenkette
ZPO § 578 Abs. 1, § 580 Nr. 3, § 581 Abs. 1, § 589 Abs. 1; SGG § 179 Abs. 1
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des durch Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2000 (S 29 VU 1/98) abgeschlossenen Verfahrens.
Nach erlittener politischer Haft in der DDR wurde der Kläger 1993 rehabilitiert und erhielt eine entsprechende Bescheinigung, in der als Verfolgungszeit eine Haftzeit vom 27. Juli 1973 bis zum 24. Oktober 1973 sowie eine sich daran anschließende weitere Verfolgungszeit bis zum 11. Dezember 1985 festgesetzt wurde. Auf den Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 1997 einen "chronischen psychophysischen Erschöpfungszustand" als Schädigungsfolge der Inhaftierung an und lehnte gleichzeitig die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen, insbesondere von Rücken- und Gelenkschmerzen, sowie die Gewährung einer Rente ab, da die Erwerbsfähigkeit weniger als 25 vom Hundert gemindert sei. Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher der Kläger die Anerkennung eines Tinnitusleidens sowie von Rücken- und Gelenkbeschwerden als weitere Schädigungsfolgen, die Berücksichtigung seiner Albträume und seiner Schweißausbrüche bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sowie weiterhin die Gewährung einer Beschädigtenrente forderte, wies das Sozialgericht nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens durch Urteil vom 14. Dezember 2000 (S 29 VU 1/98) ab. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die geltend gemachten Störungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die politische Haft zurückzuführen. Vielmehr nehme die Beeindruckung durch die Stasihaft im Zusammenhang mit den diversen Lebensbelastungen durch schwierige äußerliche Umstände einen nachgeordneten Rang ein, so dass eine MdE aufgrund von Schädigungsfolgen nicht anzuerkennen sei. Im Verfahren der Berufung gegen dieses Urteil (L 4 VU 1/01) holte das Landessozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. ein, der befand, dass der von den behandelnden Ärzten des Klägers erhobene psychopathologische Befund, welcher übereinstimme mit dem von ihm während der Untersuchung des Klägers erhobenen Befund, dem im Bescheid vom 22. Juli 1997 anerkannten Leiden entspreche. Daraufhin nahm der seinerzeit anwaltlich vertretene Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2004 seine Berufung zurück. Mit Schreiben vom 14. Januar 2008 beantragte der Kläger die vorliegend streitige Überprüfung des Urteils vom 14. Dezember 2000 wegen Rechtsverletzung. Zur Begründung führte er aus, das Gericht habe sich in seiner Entscheidung maßgeblich von dem nervenärztlichen Gutachten des Dr. F. leiten lassen. Dieses sei aber im Wesentlichen falsch, ja verleumderisch und somit auch das Urteil.
Durch Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Überprüfung bzw. Aufhebung des Urteils vom 14. Dezember 2000. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein rechtskräftig beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden könne, lägen allesamt nicht vor. Zwar behaupte der Kläger, der medizinische Sachverständige Dr. F. habe verleumderisch behauptet, er - der Kläger - sei für das Ministerium der Staatssicherheit der DDR tätig geworden. Insoweit komme grundsätzlich der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) ...