Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Bett in Überlänge
Orientierungssatz
Die Anschaffung eines Bettes in Überlange ist kein bloßer Ersatzbedarf, der nicht als Erstausstattung angesehen werden könnte, sondern gleicht viel eher dem Übergang vom Kinderbett zum Jugend- bzw. Erwachsenenbett, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen Erstausstattungsbedarf auslöst (vgl BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 79/12 R = SozR 4-4200 § 24 Nr 5).
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2019 abgeändert und der Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2013 verurteilt, dem Kläger für die Erstausstattung mit Bett, Lattenrost und Matratze in einer Länge von 2,20 m sowie einer Bettdecke mit einer Länge von 2,20 m einen Betrag von 424,50 € zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs aufgrund seiner Körpergröße und macht Aufwendungen für die Ausstattung mit Schuhen und mit einem Bett in Übergröße nebst Zubehör geltend.
Der 1994 geborene Kläger lebte bis Ende Januar 2013 zusammen mit seiner Mutter. Beide standen in (ergänzendem) Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Datum vom 20. September 2012 stellte die Mutter des Klägers für beide einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 1. Oktober 2012. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 bewilligte der Beklagte vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum von Oktober 2012 bis März 2013.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 beantragte die Mutter des Klägers für diesen rückwirkend ab Januar 2011 einen Mehrbedarf wegen der Mehrkosten für Bett, Matratze, Bettwäsche sowie Schuhe in Übergrößen. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Die Größe des Klägers begründe nach dem Gesetz keinen Mehrbedarf.
Mit Schreiben vom 16. November 2012 erhob die Mutter des Klägers für diesen Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012. Der Kläger benötige ein Bett in Übergröße von 2,20 m Länge. Bei einer Körpergröße von 1,97 m könne er sich in einem normalen Bett von 2,00 m Länge nicht mehr ausstrecken. Erforderlich sei auch das Zubehör in Form von Lattenrost, Matratze und Bettwäsche. Diese Dinge müssten in Übergrößen im Internet oder teurer in Spezialgeschäften beschafft werden. Insgesamt sei die Anschaffung deutlich teurer als übliche Größen. Weiterhin trage der Kläger Schuhe in Größe 48. Übliche Schuhgeschäfte führten Schuhe nur bis Größe 46. Dadurch würden für die Beschaffung ebenfalls erhebliche Mehrkosten anfallen.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2013 erteilte der Beklagte eine abschließende Bewilligung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. März 2013. Der Kläger wurde in der Bedarfsgemeinschaft bis zum 31. Januar 2013 berücksichtigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II könne nicht anerkannt werden. Es handele sich nicht um laufende Bedarfe, sondern um Einmalanschaffungen. Auch als Erstausstattung im Sinne von § 24 Abs. 3 SGB II könne der Bedarf nicht anerkannt werden.
Der Kläger hat dagegen am 28. Juni 2013 Klage erhoben. Laufende Mehrbedarfe für ihn seien aufgrund seines Größenwachstums bereits im Alter von 16 Jahren entstanden.
Der Beklagte hat im Verfahren mitgeteilt, dass für den Kläger in seiner eigenen Bedarfsgemeinschaft ab dem 1. Februar 2013 weder ein Bett in Übergrößen noch sonstige Erstausstattung bewilligt worden sei. Auch ein Mehrbedarf für Kleidungsübergrößen sei in der Zeit ab dem 1. Februar 2013 nicht bewilligt oder geltend gemacht worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 2019 - nach Anhörung - hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Aus § 21 Abs. 6 SGB II, der die Berücksichtigung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs vorsehe, ergebe sich kein Anspruch auf die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Ausstattung mit Schuhen oder einem Bett in Übergrößen. Der Mehrbedarf sei unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt sei und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II (Bundestags-Drucksache 17/1465, S. 9) ergebe sich bereits, dass der Gesetzgeber den Mehrbedarf grundsätzlich nicht für Bekleidung und Schuhe in Übergrößen vorgesehen habe. Auch habe das Sächsische Landessozialgericht (Urteil vom 21.12.2017 - L 7 AS 1806/13) im Hinblick auf einen Kläger mit Schuhgröße 50 zutreffend einen Mehrbedarf verneint,...