Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Wie-Beschäftigung. unentgeltliche Helfertätigkeit bei Eigenbauarbeiten. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. fremdwirtschaftliche Tätigkeit. Abgrenzungskriterien. Gefälligkeit. Freundschaftsverhältnis. Zeitumfang. früherer Arbeitskollege. Grundsanierungsarbeiten
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung des (hier bejahten) Unfallversicherungsschutzes bei unentgeltlichen Hilfstätigkeiten nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7 können im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles nicht nur die am Unfalltag konkret ausgeführten Hilfsarbeiten, sondern müssen alle auf der Baustelle bereits verrichteten und vorgesehenen Tätigkeiten berücksichtigt werden (hier: unentgeltliche Hilfe bei Grundsanierungsarbeiten eines früheren Arbeitskollegen).
2. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung versicherter "Wie-Beschäftigungen" gegenüber unversicherter Gefälligkeitsleistungen gelten grundsätzlich auch bei Hilfeleistungen im Rahmen so genannter nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten, für die gesonderte gesetzliche Regelungen zur Beitragserhebung bestehen (§§ 152 Abs 2, 157 Abs 2, 165 Abs 2, 168 Abs 4 SGB 7).
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 121 Abs. 1, § 152 Abs. 2; SGb VII § 157 Abs. 2; SGB VII § 165 Abs. 2, § 168 Abs. 4; RVO § 539 Abs. 2; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines vom Kläger am 14. Mai 2011 erlittenen Sturzes in den Keller des im Bau befindlichen Eigenheimes des Zeugen O. als Arbeitsunfall. Insbesondere ist zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Sturzereignisses "wie ein Beschäftigter" gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) im Interesse des Zeugen O. tätig war und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Der Zeuge O. begann - nachdem im Juli 2010 die entsprechende Baugenehmigung erteilt worden war - im Oktober 2010 mit dem Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage in B... Auf Nachfrage der Beklagten gab er an, zwar die wesentlichen Arbeiten durch ein Bauunternehmen ausführen zu lassen, aber Fliesenleger-, Maurer-, Maler- und Putzerarbeiten zum Teil in Eigenleistung auszuführen, bei der auch Hilfskräfte tätig werden würden. Die Beklagte übersandte ihm ein Merkblatt für Bauherrn, in dem es unter Nummer 5 (versicherte Personen bei Eigenbauarbeiten) heißt: Grundsätzlich sind alle Personen, die der Bauherr als (abhängige) Hilfskräfte in arbeitnehmerähnlicher Form zu den Eigenbauarbeiten heranzieht, gleichgültig, ob sie kurz- oder langfristig, gegen Entgelt oder unentgeltlich beschäftigt werden, kraft Gesetzes gegen Arbeitsunfall versichert. Zu diesen Hilfskräften gehören auch mithelfende Familienangehörige, Verwandte, Bekannte, Nachbarn und Kollegen ... Bei Helfern, die im Rahmen einer kurzfristigen Gefälligkeitsleistung oder als unternehmerähnliche Personen tätig werden, kann dieser Versicherungsschutz in Ausnahmefällen ausgeschlossen sein. Eine Entscheidung über den Versicherungsschutz dieser Personengruppen kann nur in Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse und gesamten Umstände der Mithilfe getroffen werden ... Außerdem enthielt das Merkblatt Hinweise zur Verpflichtung des Bauherrn, die Namen der bei Eigenbauarbeiten mithelfenden Personen sowie deren geleistete Arbeitsstunden anzugeben, zur Beitragspflicht der geleisteten Helferstunden und zur Beitragsberechnung.
Obwohl der Kläger nach seinen eigenen, im Laufe des Verfahrens von dem Zeugen O. bestätigten Angaben bereits im Oktober 2010 beim Aufstellen des Bauzaunes und im Februar/März 2011 beim Verlegen von Elektrokabeln geholfen hatte, führte ihn der Zeuge O. in seinen im April 2011 bei der Beklagten eingereichten Stundennachweisen über Eigenbauarbeiten für die Zeiträume 4. Oktober bis 31. Dezember 2010 und 1. Januar bis 31. März 2011 nicht mit auf. Hinsichtlich für das Wochenende 14./15. Mai 2011 geplanter Maler-Grundierungsarbeiten fragte der Zeuge O. Anfang Mai 2011 in seinem Bekanntenkreis nach Hilfe an. Neben zwei weiteren Helfern begannen der Kläger und dessen Ehefrau gegen Mittag des 14. Mai 2011 mit diesen Arbeiten. Nach etwa einer Stunde Arbeit stürzte der Kläger bei einem Rückwärtsschritt über die Kante der Treppenöffnung in den Keller und zog sich dabei einen Bruch des zwölften Brustwirbelkörpers zu. In seinem am 24. Juli 2011 ausgefüllten Stundennachweis über Eigenbauarbeiten gab der Zeuge O. den Kläger auch mit an. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er dieser unter dem 17. August 2011 mit, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt eine Arbeitsstunde geleistet hatte...