Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletztenrente. Bemessung. Wackelsteife. Fersenbeinbruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Um die Höhe der Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls nach § 62 SGB VII zu bestimmen, ist auf die MdE abzustellen.
2. Die Bemessung der MdE richtet sich nach den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Eine höhere Bemessung aufgrund von Schmerzen ist nur bei außergewöhnlichen Schmerzen, die zu einer Funktionsbeeinträchtigung führen, möglich.
3. Eine Wackelsteife des unteren Sprunggelenkes begründet lediglich eine MdE von 20 v.H. Erst bei erheblicher Deformierung des Fersenbeines mit einer Aufhebung des Tubergelenkwinkels und einer gravierenden Deformierung des Rückfußes, Wackelsteife des unteren Sprunggelenkes, Anschlussarthrose des oberen Sprunggelenkes und/oder der Fußwurzel mit deutlicher Funktionsbeeinträchtigung des Fußes, kommt eine MdE von 30 v.H. in Betracht.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1, §§ 62, 56 Abs. 2 S. 1
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zu gelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei einem Fersenbeinbruch, den der Kläger bei einem Arbeitsunfall erlitten hat.
Der im Jahre 1974 geborene Kläger war als Trockenbauer beschäftigt. Am 3. November 2016 sprang er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit aus ca. 1,50 m Höhe von einer Leiter, weil diese zusammenklappte. Der Kläger kam mit beiden Füßen auf und zog sich dabei eine beidseitige Calcaneusfraktur rechts Sanders Typ I, II und links Sanders Typ IV sowie eine Distorsion des oberen Sprunggelenkes links zu. Der Durchgangsarzt Professor Dr. R. diagnostizierte außerdem den Verdacht auf einen bereits bestehenden Bandscheibenprolaps C5/6 rechts bei C5 Radikulopathie rechtsseitig.
Die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. A. berichtete im Rahmen eines Aufnahmeberichtes zu einer komplexen ambulanten Rehabilitationsbehandlung vom 4. Februar 2017, dass das Rehabilitationsziel die mittelfristige Rückführung des Unfallversicherten in seine berufliche Tätigkeit als ungelernter Trockenbauer in Vollzeit sei. Die Fachärztin für Chirurgie Dr. H1 des B. Klinikums H. wies dann in Ihrem Bericht vom 8. Mai 2017 darauf hin, dass eine Umsetzung am Arbeitsplatz nicht möglich zu sein scheine. Nach Abschluss des Heilverfahrens werde eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit verbleiben.
Im Rahmen des 1. Rentengutachtens vom 27. März 2018 fasste der Unfallchirurg Dr. K. die wesentlichen Unfallfolgen wie folgt zusammen:
- Beeinträchtigung des Geh- und Stehvermögen des linken Beines,
- Muskelminderung des linken Unterschenkels,
- Bewegungseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenkes,
- deformiert verheilte Fersenbeinfraktur links,
- verbliebene Kalksalzminderung des linken Fußskelettes sowie
- ohne funktionelles Defizit verheilte Fersenbeinfraktur rechts.
Unfallunabhängig bestehe ein Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall C5/6. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte der Gutachter am 3. Mai 2018 bis auf weiteres mit 20 v.H. ein.
Der Neurologe Dr. P. führte in seinem Befundbericht vom 23. Mai 2018 aus, dass sich klinisch neurologisch links eine diskrete Fußheberschwäche sowie eine diskrete Atrophie des Musculus extensior digitorum brevis finde. Der Achillessehnenreflex sei beidseits nicht auslösbar, der sonstige klinisch-neurologische Untersuchungsbefund sei unauffällig gewesen. Zusätzlich habe sich eine diskrete Läsion des linken Nervus suralis und des linken Nervus peronaeus als Folge der komplizierten Fraktur linksseitig, bei unauffälligen Befunden rechtsseitig, gezeigt. Damit würden die hauptsächlich beklagten Beschwerden des Klägers auf neurologischem Fachgebiet durch das chronische L5- und S1-Syndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule erklärt.
Die Beklagte erließ am 29. Mai 2019 den Bescheid über eine Rente als vorläufige Entschädigung und gewährte dem Kläger ab dem 3. Mai 2018 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. bis auf weiteres. Die Beklagte berücksichtigte als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung beim Heben, Senken und Kanten des Fußes sowie Einschränkung der Zehenbeweglichkeit, eine Muskelminderung des linken Unterschenkels, Belastungsbeschwerden nach, unter Abflachung des Tubergelenkswinkels, knöchern fest verheiltem Fersenbeinbruch links, folgenlos knöchern fest verheilter Fersenbeinbruch rechts.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und erklärte, dass er bei Entfernungen von mehr als 300-500 m auf ein Taxi angewiesen sei, weil die Schmerzen dann unerträglich würden. Vor seinem Unfall habe er keinerlei gesundheitliche Einschränkung...