Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Verfügbarkeit. Schulungsmaßnahme. Rücknahme der Bewilligung. Wesentliche Änderung. Grobe Fahrlässigkeit. Merkblatt für Arbeitslose
Leitsatz (redaktionell)
Wer an einer Vollzeit-Schulungsmaßnahme teilnimmt, steht der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung und hat daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Normenkette
SGB III § 136 Abs. 1 Nr. 1, § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 139 Abs. 3, § 330 Abs. 3 S. 1; EAO §§ 1, 3; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2, 4, § 50 Abs. 1
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit sind Bescheide über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die daran anknüpfende Erstattungsforderung.
Die 1981 geborene Klägerin war - unterbrochen durch eine knapp dreijährige Elternzeit - seit 2007 als Flugbegleiterin beschäftigt gewesen, als ihr Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer damaligen Arbeitgeberin am 26. Februar 2015 gekündigt und sie sofort unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wurde, weil wegen Masseunzulänglichkeit keine weiteren Entgeltzahlungen möglich seien.
Nach persönlicher Arbeitssuchend- und Arbeitslosmeldung am 27. Februar 2015 wurde ihr von der Beklagten antragsgemäß ab demselben Tag Arbeitslosengeld für 360 Tage in Höhe von 27,22 Euro täglich / 816,60 Euro monatlich bewilligt (Bescheid vom 12. März 2015). Mit ihrer Unterschrift unter dem Antragsformular für Arbeitslosengeld bestätigte sie den Erhalt des Merkblatts 1 für Arbeitslose sowie die Kenntnisnahme von dessen Inhalt.
Ab März 2015 bezog die Klägerin daneben vom Jobcenter team.arbeit. H. aufstockend Arbeitslosengeld II. Wegen des Einbehalts einer Abschlagszahlung für die erste Märzwoche in Höhe von 190,54 Euro sowie der Erfüllung von Erstattungsansprüchen des Jobcenters in Höhe von insgesamt 843,23 Euro erließ die Beklagte mehrere Bewilligungsänderungsbescheide (13. und 16. März 2015, 11. Mai 2015).
Am 15. Mai 2015 erfuhr die Beklagte durch eine Überschneidungsmitteilung im Rahmen eines automatisierten Datenabgleichs davon, dass die Klägerin vom 23. März bis 10. Mai 2015 in F. an einer Vollzeitschulung bei der C. GmbH teilgenommen hatte, die dann zu einer befristeten Beschäftigung vom 23. Mai bis 30. November 2015 am Standort H. führte. Die Klägerin hatte die Aufnahme und Durchführung der Schulung zwar durch Vorlage des Schulungsvertrags am 23. März 2015 sowie ergänzende schriftliche Angaben ab 9. April 2015 gegenüber Beschäftigten des Jobcenters angezeigt, nicht jedoch gegenüber solchen der Beklagten, die der Klägerin allerdings die von ihr selbst gesuchte Tätigkeit ebenfalls nachwies. Die Anzeigen der Klägerin gegenüber Beschäftigten des Jobcenters waren von jenen in der vom Jobcenter und der Beklagten gemeinsam für Vermittlungsaktivitäten genutzten Datenbank V. vermerkt worden, ohne dass Beschäftigte der Beklagten dies vor dem 15. Mai 2015 zur Kenntnis genommen hatten.
Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte mit drei Bescheiden vom 4. Juni 2015 die Bewilligung des für Zeiträume bis einschließlich 30. April 2015 mit Ausnahme des an das Jobcenter ausgekehrten Erstattungsanspruchs an die Klägerin ausgezahlten Arbeitslosengelds ab 23. März 2015 auf, forderte die Erstattung des auf den Zeitraum von 23. März bis 30. April 2015 entfallenden Leistungsbetrags von 1034,36 Euro und änderte den Bewilligungsbescheid entsprechend ab.
Den hiergegen von der damals noch unvertretenen Klägerin zunächst nur per E-Mail eingelegten Widerspruch vom 23. Juni 2015 verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2015 als wegen fehlender Schriftform unzulässig.
Am 4. September 2015 legte die Klägerin, nunmehr vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, erneut Widerspruch gegen die Bescheide vom 4. Juni 2015 unter Hinweis darauf ein, dass die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen sei, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in den angefochtenen Bescheiden fehlerhaft gewesen sei. Es fehlten sowohl die konkrete Adresse, wo der Widerspruch persönlich abgegeben werden könne, als auch der Hinweis, dass der Widerspruch auch elektronisch erhoben werden könne, allerdings nur mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur oder per DE-Mailer.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Der Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld habe nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mit Wirkung ab 23. März 2015 ganz aufgehoben werden müssen, weil die Klägerin ab diesem Tag mangels Verfügbarkeit nicht mehr arbeitslos im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 138 SGB 3 gewesen sei und die Klägerin wesentliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen trotz ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung nach § 60 Abs. 1 Erst...